Von Niklas Kleinwächter

Die schlimmsten Befürchtungen von Wolfsgegnern und Experten haben sich bewahrheitet: Der Rodewalder Problemwolf hat offenbar seine herausragenden Jagdfähigkeiten an weitere Mitglieder seines Rudels weitergegeben. Wie ein Sprecher des Umweltministeriums erklärte, habe man an zwei im Landkreis Nienburg getöteten Pferden DNA-Spuren von Tieren des besagten Rudels feststellen können. Wie kann der Mensch diesen aggressiven Wölfen noch beikommen?


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Länger als ein Jahr hat das Umweltministerium versucht, den Rodewalder Rüden mit der Kennung „GW717m“ zu finden und ihn schließlich mit einer Sondergenehmigung töten zu lassen. Doch das Tier ist zu schlau, bewegte sich in einem zu großen Revier und ließ sich auch schlichtweg nicht aus der Ferne einwandfrei identifizieren. Hinzu kam, dass Tierschützer immer wieder versucht hatten, die Suche zu torpedieren. Schließlich hat das Umweltministerium die Aktion abgeblasen und stattdessen einen neuen Pfad eingeschlagen. Mit der Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes im Februar dieses Jahres wurde der Weg geebnet für eine niedersächsische Wolfsverordnung. Im September soll diese erlassen werden und dann ermöglichen, dass unter bestimmten Umständen auch nicht weiter identifizierte Tiere eines Rudels getötet werden können, wenn sich das Rudel insgesamt als zu aggressiv erweist. Doch ist diese Regelung rechtens?

OVG verpasst der Wolfsverordnung einen Dämpfer

Wie gestern offiziell bekannt wurde, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg vergangenen Freitag über eine Beschwerde zweier Naturschutzorganisationen. Dieses Urteil lässt nun aufhorchen, denn womöglich versperrt das Gericht damit schon vorab den Weg für die neue Wolfsverordnung. Konkret ging es darum: Der Landkreis Uelzen hatte eine Ausnahmegenehmigung zur Tötung zweier Wölfe erteilt. Unter anderem der Naturschutzbund Nabu wollte dagegen mit einem Eilantrag vorgehen, den das Verwaltungsgericht Lüneburg zunächst aber abgelehnt hatte. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Naturschutzorganisationen dazu gar nicht berechtigt seien. Das OVG Lüneburg hat diese Entscheidung nun korrigiert, den Beschwerden stattgegeben – und sich auch in der Sache positioniert.

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Laut Urteil des OVG ist die Genehmigung zum Abschuss der beiden Wölfe zumindest teilweise rechtswidrig. Da davon auszugehen sei, dass die Tiere den Schäfern erheblichen wirtschaftlichen Schaden bereiteten, die üblichen Herdenschutzmaßnahmen nicht ausreichten und es keine Alternativen zur Tötung der Tiere gebe, sei die Genehmigung zum Abschuss rechtmäßig, erklärte das OVG. Wohlgemerkt bezieht sich dieser Teil aber nur auf zwei klar definierte Tiere, einen Wolf aus dem Rudel Ebstorf und eine Wölfin aus dem Rudel Eschede-Rheinmetall. Die Uelzener Ausnahmegenehmigung sei allerdings rechtswidrig, weil der Landkreis darin obendrein noch die Tötung weiterer, nicht klar identifizierter Tiere ergänzend geregelt hatte. Dies sei aber, so das OVG Lüneburg, laut Bundesnaturschutzgesetz „nur in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit bisherigen Bissereignissen“ zulässig.

Grüne: Wolfsverordnung grundlegend überarbeiten

„Der Umweltminister muss die Wolfsverordnung nun grundlegend überarbeiten“, findet Christian Meyer, Landtagsabgeordneter der Grünen und früherer Landesagrarminister. Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick erklärt er, dass das OVG-Urteil noch einmal bestätigt habe, dass nur Einzelabschüsse statthaft seien. Im niedersächsischen Umweltministerium begrüßte man das Urteil zunächst. „Das Gericht bestätigt damit abermals unsere Marschroute“, erklärte Umweltminister Olaf Lies (SPD) am Montag. „Wölfe, die Herdenschutzmaßnahmen überwinden, müssen nicht geduldet werden. Weidetierhalter müssen ihre Tiere schützen, aber sie müssen sich nicht auf einen von Wolfsschützern geforderten Rüstungswettlauf einlassen. Das Oberverwaltungsgericht hat also bereits zum zweiten Mal festgestellt: Eine rechtssichere Entnahme von Problemwölfen ist in begründeten Einzelfällen möglich und richtig.“


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Das Ministerium räumte in einer Pressemitteilung allerdings auch ein, dass das Gericht die sukzessive Entnahme von weiteren Wölfen nur in einem sehr engen Rahmen und „besser begründet“ gestattete. Macht das die Wolfsverordnung in dieser Hinsicht nun also zum zahnlosen Tiger?

CDU: Wolf bei Novelle ins Jagdrecht überführen

Die CDU-Landtagsfraktion hat nun vorsichtshalber einen weiteren Weg gefordert. In ihrer gestrigen Fraktionssitzung haben die Christdemokraten einstimmig beschlossen, dass sie darauf hinwirken wollen, bei der nächsten Novelle des niedersächsischen Jagdgesetzes den Wolf ins Jagdrecht zu überführen. Geplant sei diese Novelle für 2021, erklärte CDU-Fraktionsvize Martin Bäumer im Rundblick-Gespräch. Vorher stünde aber auch noch eine Novelle des Bundesjagdgesetzes an. Würde der Bundesgesetzgeber zuerst handeln, wäre der Schritt in Niedersachsen entbehrlich, so Bäumer.

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Doch dieser Schritt allein würde wohl noch nicht ausreichen. Denn bevor tatsächlich die Jäger rechtssicher eingreifen dürfen, müsste zunächst die Bundesregierung den sogenannten günstigen Erhaltungszustand definieren und der EU melden, dass dieser erreicht sei. Die EU müsste dies prüfen und bestätigen – und daraufhin die FFH-Richtlinie anpassen. Erst dann würde eine Überführung ins Jagdrecht eine Wirkung zeigen und der Wolf könnte (zumindest in bestimmten Gebieten) durch Jagd kontrolliert werden. Bäumer bezeichnet den Plan seiner Fraktion daher als „präventive Politik“. Wenn die Bundesregierung und die EU so weit seien, wäre das Jagdrecht in Niedersachsen zumindest schon bereit. Doch bevor es so weit ist, ist Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Zug. „Die Bundesministerin muss den Erhaltungszustand endlich feststellen“, sagt Bäumer. „Der Wolf ist längst nicht mehr das schützenswerte Tier, weil es davon nur noch so wenige gebe.“