In Paris wurde der Anfang gemacht – und Zustimmung gibt es auch in deutschen Städten, beispielsweise in Hannover: Kommunalpolitiker überlegen, ob man die Parkgebühren im ruhenden Verkehr staffeln kann, beispielsweise an der Länge der Fahrzeuge, an ihrem Gewicht oder der Größe. Die einen halten das aus Klimaschutz-Gründen für vertretbar, die anderen befürchten, das schrecke viele Autofahrer vom Besuch der Innenstädte ab. Die Rundblick-Redaktion streitet über den Vorschlag in einem Pro und Contra.

Foto: Apriori1 via Getty Images / SCHEFFEN

PRO: Der öffentliche Raum muss neu verteilt werden. Es ist sinnvoll, zuerst die besonders großen Karren hinauszudrängen, weil sie den Raum besonders begrenzen, weil sie dem Klima besonders schaden und weil sie Teil einer gefährlichen Risikospirale sind, meint Niklas Kleinwächter.

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) ist einmal mehr ein medialer Coup geglückt. Noch bevor die Bevölkerung der französischen Hauptstadt am Sonntag über die erhöhten Parkgebühren für SUVs an den Straßenrändern von Paris abgestimmt hat, ist es ihm gelungen, das Thema zu kapern und seit Sonnabend damit in der bundesweiten Berichterstattung aufzutauchen. Dass er dafür aufgrund der chaotischen Verhältnisse im Rat der Landeshauptstadt zunächst keine politische Mehrheit haben wird, spielt dabei keine große Rolle. Einmal mehr kann sich Onay als der Meister der Verkehrswende inszenieren – auch wenn man davon in Hannover noch nicht so viel sieht, wie man im Rest der Republik inzwischen vermutlich glaubt. Niedersachsens Landeshauptstadt schickt sich an, verkehrspolitisch in einer Liga mit Paris zu spielen. Eine charmante Vorstellung. Hinter dem Medien-Coup steckt aber mehr:

Der umkämpfte Raum: Onay hat es auf diese Weise einmal mehr geschafft, eine Debatte zu befeuern, die aktuell zu erlahmen droht. Seitdem die SPD die Ratskoalition verlassen hat, scheint das Projekt „Auto-arme Innenstadt“ zumindest öffentlich ad acta gelegt zu sein. Wenn überhaupt, wird nun darüber diskutiert, was sowieso alles nicht funktionieren wird. Die Pläne, die Onay mit Stadtbaurat Thomas Vielhaber im vergangenen September vorgestellt hat, werden in den Zentralen von SPD, CDU und FDP und auch im Büro von Regionspräsident Steffen Krach (SPD) gerade ordentlich zerpflückt, bis wenig davon übrigbleibt. Eine Lösung für den schwelenden Konflikt auf Hannovers Straßen und Wegen hat man damit aber noch lange nicht gefunden. Fakt ist: Der öffentliche Raum ist begrenzt. Fakt ist auch: Der öffentliche Raum muss neu verteilt werden, weil sich die Nutzungsansprüche ändern. Eine Verkehrswende, die zu Lasten von niemandem geht, wird es aber nicht geben können. Nun zu sagen, dass man zumindest schon einmal die Nutzungsgebühren für den öffentlichen Raum für jene Fahrzeuge anheben will, die deutlich mehr Fläche in Anspruch nehmen, ist deshalb ein guter Aufschlag – zumindest, um die Aufmerksamkeit einmal wieder auf den Verkehr zu lenken.

Das Klima-Argument: Die Nutzung von geländegängigen Fahrzeugen in der Stadt unattraktiver zu machen, hat auch etwas mit Klimaschutz und Luftreinheit zu tun. Natürlich wäre es insgesamt besser für das Klima, wenn weniger Verbrenner auf den Straßen unterwegs sind – erst recht in einem dicht besiedelten und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erschlossenen Gebiet wie Hannover. Sinnvoll wäre es auch, wenn mehr Pendler auf Fahrgemeinschaften umsteigen würden, um die Blechlawinen auf den Straßen der Landeshauptstadt kleiner zu halten. Das Klima-Argument lässt sich zudem nicht dadurch entkräften, dass nun auf Elektromobilität umgesattelt wird. Elektromobilität ist nicht die Lösung. Klimaeffizient sind E-Autos nur unter bestimmten Bedingungen. Sie verbessern zwar die Luftqualität am Ort ihrer Nutzung. Besser fürs Klima sind sie aber freilich nur dann, wenn sie auch mit grünem Strom betrieben werden können. Das Wachstum der sinnvollen E-Mobilität wird deshalb auch durch das Vorhandensein von grünem Strom limitiert. Elektroautos sind insgesamt zwar besser für die Innenstadt als es die Verbrenner sind. Wenn es aber um den Platzbedarf geht, nützen sie wenig. Denn aufgrund ihrer Batterien tendieren E-Autos dazu, größer und schwerer zu werden. In diesem Sinne zielführend wäre es deshalb, auch für platzraubende Elektroautos die Parkgebühren anzuheben – vielleicht aber abgestuft zu den Tarifen für gleichgroße Verbrenner.

Das Sicherheits-Paradoxon: Erhöhte Parkgebühren für große und schwere Fahrzeuge wären nicht zuletzt auch ein Zeichen an diejenigen, die solche Fahrzeuge bauen, sowie an jene, die sie kaufen und fahren. Hannover würde damit ein kleines Stoppschild hochhalten, das sagt: Kehrt um, ihr seid auf einem falschen Weg. Es ist der Weg des scheinbar unaufhaltsamen Wachstums der Automobile. Im vergangenen Jahr hat das französische Beratungsunternehmen Inovev Zahlen dazu veröffentlicht, worüber viele Medien damals berichteten. Demnach seien die in Europa gebauten Autos inzwischen sieben Zentimeter höher, zehn Zentimeter breiter und 20 Zentimeter länger als im Jahr 2000. Neben neuster Technik, die Platz braucht, und gewachsenen Ansprüchen an den Luxus einer hochwertigen Karosse ist es auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Insassen, das die Fahrzeuge immer größer werden lässt. Es ist eine Wachstumsspirale, die aus einem Sicherheits-Paradoxon gespeist wird. Jeder denkt: Je größer mein Auto, desto sicherer bin ich. So schraubt sich die Entwicklung immer weiter hoch. Gleichzeitig führt diese Entwicklung dazu, dass sich andere Verkehrsteilnehmer immer weniger sicher fühlen, weil sie längst aus dem Sichtfeld der immer weiter oben thronenden Autofahrer zu geraten scheinen. Das verleitet dann jedoch wiederum mehr Menschen dazu, selber aufs Auto umzusteigen, statt das Fahrrad zu nutzen, auf dem sich der Fahrer in der Innenstadt schnell einem größeren Risiko aussetzt. Vor den Schulen dieses Landes erlebt man es seit Jahren schon: Das Elterntaxi boomt, weil die Eltern ihre Kinder nicht dem Straßenverkehr aussetzen wollen. Kluge Schulleitungen und Kommunalverwaltungen haben längst erkannt: Durchbrechen kann man diesen Teufelskreis nur mit einem Verbot – kombiniert mit attraktiveren Alternativen. Gleiches gilt auch für die Innenstädte.