War es nun Himmelfahrt oder doch der „Vatertag“, beziehungsweise für die Nicht-Väter der „Herrentag“? Der Sinn vieler Feiertage scheint in der Gesellschaft verloren zu gehen, viele genießen die freie Zeit – ohne zu wissen, warum der Feiertag arbeitsfrei ist. Was war noch mal Pfingsten? Was genau feiern wir am 3. Oktober und warum an diesem Tag? Ob man die Feiertage künftig abschaffen sollte, diskutiert die Redaktion in einem Pro und Contra.


Die gemeinsinnstiftende Funktion ist den gesetzlichen Feiertagen längst abhandengekommen. Der Feiertagskalender sollte deshalb grundlegend reformiert werden: Schafft die Feiertage ab – und verteilt Sonderurlaub für einzelne Partikulargruppen! Das stärkt den Korporatismus und damit unsere Demokratie, sagt Niklas Kleinwächter.

Foto: sefa ozel by Getty Images / Henning Scheffen für den Rundblick

Hatten Sie einen schönen Himmelfahrtstag? Oder wurde bei Ihnen der Vatertag zelebriert? Vielleicht haben Sie ja aber auch beides geflissentlich ignoriert und hatten einfach nur: frei. Das ist nicht verwerflich, sondern modern. Wir sind schließlich so frei – an einem freien Tag darf doch jeder tun und lassen, was er möchte: in den Gottesdienst gehen, eine Bollerwagentour unternehmen, Gartenarbeit verrichten oder einfach mal ausspannen und ausgiebig Zeitung lesen. Es gibt schließlich keine gesetzliche Pflicht, Feiertage gemäß ihrem ursprünglichen Anliegen zu begehen. Aber worum geht es denn dann eigentlich noch? Geht diese lockerleichte Einstellung zu Feiertagen nicht am eigentlichen Sinn des Ganzen vorbei und führt den Feiertagsgedanken ad absurdum? Der eigentliche Zweck gesetzlicher Feiertage ist es doch, Gemeinsinn zu stiften. Legt man diesen Maßstab aber an die aktuellen Feiertage an, scheitern die allermeisten an diesem Anspruch kolossal.


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Bis zu 20 gesetzliche Feiertage kann man in Deutschland auftreiben, wobei es bekanntlich von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedliche Konstellationen gibt. Die meisten Tage stammen eindeutig aus der christlichen Tradition und folgen dem Rhythmus des Kirchenjahrs. Doch noch bevor die christlichen Kirchen ihre Mitglieder verloren haben, ging diesen Mitgliedern der Bezug zu den Feiertagen verloren. Weihnachten immerhin hat noch als Familienfest Bedeutung, und in die Kirche gehen da sicherlich auch noch einige, weil es so schön ist mit dem Krippenspiel und allem. Ähnlich ist es vielleicht noch an Ostern. Aber schon für den Karfreitag will kaum noch jemand Verständnis aufbringen. Und worum geht’s nochmal an Pfingsten? Zu diesen kirchlichen Festen gesellen sich dann bekanntlich noch ein paar weltliche Feiertage wie der „Tag der Arbeit“, der „Weltkindertag“, das räumlich äußerst begrenzte „Augsburger Friedensfest“, natürlich der „Tag der deutschen Einheit“ oder neuerdings der „Internationale Frauentag“, der zumindest in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ein gesetzlicher Feiertag ist.



Gerade dieser letztgenannte recht junge Feiertag wirft ein Schlaglicht auf den sonderbaren Prozess der Entstehung gesetzlicher Feiertage, der mit ursächlich ist für deren sinnliche Bedeutungslosigkeit. In Niedersachsen diskutierte man bereits bei der letzten Ausweitung des Feiertagskalenders, ob nicht auch hierzulande der Frauentag eine Chance haben soll, und entschied sich dann doch für den Reformationstag. Im Landtagswahlkampf kam dann im vergangenen Jahr erneut der Wunsch nach einem neuen gesetzlichen Feiertag auf – jetzt mit Rot-Grün vielleicht doch der Frauentag? Im Grunde geht es dabei derweil doch nur um zwei Dinge: ein Wahlgeschenk zu verteilen – und ein kleines bisschen Selbstfindung zu betreiben.

Immerhin die Suche nach einem neuen Tag kann noch so etwas wie Sinn stiften, weil sich plötzlich allerhand Leute öffentlich damit beschäftigen, welcher Tag eine besondere Bedeutung hat oder haben sollte: Wenn nicht der Frauentag, dann vielleicht doch endlich mal der Tag des Grundgesetzes, als Ehrung unseres Verfassungspatriotismus? Oder, wie in der vergangenen Woche zu erleben war: vielleicht ein Andenken an das Paulskirchenparlament, um unsere Demokratiegeschichte zu würdigen? Spätestens im zweiten Jahr nach der Einführung wäre der Sinn wieder in den Hintergrund gerückt. Dann wird auch am neuen Feiertag wieder nur der Grill angeworfen und fertig.

Wie wäre es denn, wenn man ein gruppenzugehöriges Sonderurlaubs-Konto einführen würde?

Die Bedeutungsinflation muss jetzt Folgen haben. Deshalb fordere ich: Schafft die gesetzlichen Feiertage ab! Stattdessen sollte ein arbeitsrechtliches Feiertags-Regime eingeführt werden, das besser zu unserer individualisierten, fragmentierten Gesellschaft passt. Wie wäre es denn, wenn man ein gruppenzugehöriges Sonderurlaubs-Konto einführen würde? Sie gehören einer christlichen Kirche an? Bis zu 14 Sonderurlaubstage landen schon mal auf ihrem Konto. Analog müssen Fest- und Feiertage anderer verfasster Religionen natürlich auch berücksichtigt werden. Sie sind gewerkschaftlich organisiert? Dann kommt ein weiterer Sonderurlaubstag am 1. Mai hinzu. Sie sind eine Frau oder ein Kind? Ein Extratag obendrauf. Deutscher Staatsbürger – einen Nationalfeiertag muss es geben. Und das Ganze ließe sich ja noch weiter ausdehnen, jede organisierte Gruppe soll ihre eigenen Feiertage anmelden können. Einzulösen sind diese Sonderurlaubstage natürlich nur an den entsprechenden Feiertagen, wie sie im Kalender stehen.



Ein solcher Schritt wäre zugleich eine Frischzellekur für schwächelnde Großorganisationen und eine Stärkung der gemeinsinnstiftenden Bedeutung der Feiertage. Verabschieden wir uns doch mal von dem Gedanken der alles überformenden Einheit und erkennen wir den Korporatismus als zu bewahrende Gemeinschaftsform an. Was unsere Vielfaltsgesellschaft noch zusammenhalten kann, sind keine sinnleeren Feiertage, mit deren ursprünglicher Bedeutung kaum noch jemand etwas anfangen kann. Sondern das Verbindende sind die kleineren Zusammengehörigkeitseinheiten. Entscheidend ist, dass diese Einheiten als Zwischenebene fungieren, als mittlere Form der Gemeinschaft, die dann wiederum als Teil vom Ganzen den Staat formen. So können gesetzliche Feiertage als Hilfsmittel doch wieder eine Funktion für die Gesellschaft erfüllen, was ihnen derzeit leider nicht mehr gelingt.


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