Die tierwohlgerechte Umgestaltung der Nutztierhaltung ist rechtlich möglich, wird aber teurer als vermutet. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Bundesagrarministerium in Auftrag gegebene Studie zu den Vorschlägen der sogenannten Borchert-Kommission. Gestern hat Bundesagrarminister Julia Klöckner (CDU) das 275 Seite starke Rechtsgutachten der Sozietät „Redeker Sellner Dahs“ vorgestellt. Demnach werden für die ambitionierten Pläne des Fachgremiums unter Leitung des früheren Bundesagrarministers Jochen Borchert (CDU) voraussichtlich bis 2025 jährlich 2,9 Milliarden Euro benötigt. Bis 2030 kämen pro Jahr weitere 4,3 Milliarden Euro und bis 2040 noch 4 Milliarden Euro Extrakosten auf den Bundeshaushalt zu. Die Borchert-Kommission war von zunächst 1,2 Milliarden und später 3,6 Milliarden Euro jährlich ausgegangen. Die Grundidee der Kommission ist es, dass die Bundesrepublik mit Landwirten Verträge schließt, damit diese über einen längeren Zeitraum verlässlich Unterstützungsleistungen erhalten, wenn sie im Gegenzug ihre Ställe für Rinder, Schweine und Geflügel umbauen. Dabei müssen die Maßnahmen der Landwirte über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus gehen. Für die Refinanzierung dieser Umbauten soll der Verbraucher herangezogen werden. Welche Modelle dazu rechtlich möglich sind, sollte ebenfalls durch die Machbarkeitsstudie herausgefunden werden. Ulrich Karpenstein, einer der Autoren der Studie, skizzierte drei Varianten der Gegenfinanzierung, die in Frage kämen:

Verbrauchssteuer für Eier, Milch und Fleisch: In der ersten Variante würde eine Verbrauchssteuer auf tierische Produkte erhoben, die sich nicht auf den Preis, sondern auf die Menge bezieht. Vorteilhaft wäre daran nach Ansicht der Experten, dass sich diese Steuer an den Endverbraucher richten würde. Auch verfassungs- und europarechtlich sehen die Autoren der Studie darin zunächst kein Problem, vergleichbare Beispiele gebe es bei Kaffee, Tabak und Schaumwein. Der bürokratische Aufwand jedoch wäre enorm. Es müsste für jede Kategorie (Milch, Eier, Fleisch) eine eigene Steuerlage definiert werden. Außerdem könnte es bei der Verwendung der Gelder Probleme mit der EU geben. Da auch importierte Produkte mit der Steuer belegt würden, dürfte das Geld nicht allein den deutschen Landwirten zugutekommen, argumentiert Karpenstein. Das System sei also nicht ausgeschlossen, die strikte Zweckbindung sei bei der EU aber nicht durchzusetzen.

Anhebung der Mehrwertsteuer: Alternativ wird vorgeschlagen, den bislang noch reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel zumindest für tierische Produkte anzuheben. Das sei bis zum Normalsatz von 19 Prozent rechtlich problemlos machbar, betont Karpenstein. Anders als bei der Verbrauchssteuer würde sich dieser Schritt nicht an der Menge, sondern am Preis orientieren. Eine Lenkungswirkung in Richtung des Verbrauchers sei damit aber dennoch eingeschränkt gegeben. Möglich sei auch eine leichte Anhebung des Mehrwertsteuersatzes für alle Lebensmittel von derzeit 7 auf dann beispielsweise 15 Prozent. Dieser Schritt sollte aber sozialpolitisch flankiert werden, meint Karpenstein. Sprich: Wenn die Lebensmittel insgesamt teurer werden, muss sich das auch im Hartz-IV-Satz widerspiegeln. EU-rechtlich könnte aber auch dieses Modell dieselben Probleme hervorrufen wie die Verbrauchssteuer.

Soli für mehr Tierwohl: Ganz anders setzt die dritte Variante an. Der Gesetzgeber könnte einfachgesetzlich regeln, dass ergänzend zur Einkommensteuer eine Abgabe zur Förderung des Tierwohls in Deutschland zu entrichten ist – ein Solidaritätszuschlag für Schwein und Rind sozusagen. Dieses Modell wäre aus Perspektive der Experten verwaltungstechnisch am einfachsten und sollte weder Kollisionen mit EU- noch Verfassungsrecht verursachen. Die Probleme der anderen beiden Modelle könnten umgangen werden. Allerdings würde die Zahlung letztlich komplett vom Produkt entkoppelt. Die Trennung von Konsum und Tierhaltung würde also noch weiter verstärkt.

Ob es noch vor der Bundestagswahl im September zu einem politischen Beschluss über die Ergebnisse der Borchert-Kommission kommen werde, ließ Klöckner derweil offen. Sie sagte jedoch, dass es sich keine Partei erlauben könne, sich im Wahlprogramm nicht zum Thema Tierwohl zu verhalten.