Die Kommunen rüsten sich für den Protest gegen das Prostitutionsschutzgesetz, das am 1. Juli in Kraft treten soll. Sie befürchten vor allem, auf den Kosten sitzenzubleiben, die mit den künftig notwendigen Verwaltungskontrollen entstehen werden. In der Tat rechnet das Niedersächsische Sozialministerium damit, dass die Kommunen mit den Gebühren für die Anmeldung von Prostituierten und Bordellen sowie mit den vorgeschriebenen Gesundheitsberatungen weniger einnehmen werden, als zur Deckung der Kosten für die Umsetzung dieses Bundesgesetzes nötig wird. Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) ruft nun seine Mitglieder auf, ihre Berechnungen bis Mitte Juli vorzulegen, um Argumente für den Protest gegen die Regelung zu sammeln. Ihr Ziel: Das Land soll die Mehrkosten ausgleichen.

Das Land wolle „mit minimalem Einsatz maximale Ergebnisse“ erreichen, schimpfen die Kommunen.

Der Bundestag hatte im vergangenen Juli das Prostitutionsschutzgesetz verabschiedet, das künftig Prostituierte besser vor Ausbeutung und Missbrauch schützen soll. Der Hebel, den die Regierung dafür ansetzen will, führt über mehr Kontrollen der Behörden. Jeder, der sich in Deutschland prostituiert oder ein Prostitutionsgewerbe betreibt, muss dafür eine Erlaubnis haben. Eine Voraussetzung dafür ist die regelmäßige Teilnahme an einer Gesundheitsberatung. Für beides sollen ab 1. Juli die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig sein. Sie dürfen das Geld behalten, das die Meldepflicht und die Gesundheitsberatungen einbringen. 30 Euro kostet die Bescheinigung der Anmeldung für Prostituierte, alle zwei Jahre muss sie für 15 Euro erneuert werden. Für die Gesundheitsberatung werden jährlich 40 Euro fällig. Wer unter 21 Jahre alt ist, muss sie nicht bezahlen. Da Prostitution bisher nicht meldepflichtig war, gibt es keine belastbaren Zahlen über Prostituierte in Niedersachsen. Schätzungen gehen von etwa 20.000 Prostituierten und rund 2000 Bordellen aus.

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Die Landesregierung schätzt, dass durch die Meldepflicht jährlich maximal etwa 1,9 Millionen Euro eingenommen werden. „Es ist völlig illusorisch, dass wir so viele Gebühren einnehmen, dass die Kosten gedeckt sind“, sagt Thorsten Bullerdiek, Sprecher des NSGB. Dass es ein Defizit geben wird, hat die Regierung in ihre Verordnung zur Umsetzung des Bundesgesetzes schon eingepreist. Sie geht davon aus, dass vor allem das kostenlose Beratungsangebot für junge Prostituierte das Defizit verursacht. Im ersten Jahr werde voraussichtlich eine Finanzierungslücke von 1,7 Millionen Euro entstehen, in den Folgejahren würden es 260.000 Euro jährlich sein. Da das in der Umlage aber nur 21 Cent sind, werde der Anspruch auf Kostenerstattung aus der Landesverfassung nicht erfüllt. Sprich: Die Kommunen blieben auf den Mehrkosten sitzen.

„Aus unserer Sicht ist das gesamte Gesetz ein Schnellschuss“, sagt Bullerdiek. Es werde versucht, mit minimalem Einsatz maximale Ergebnisse zu erreichen. Doch das gehe meist schief. Mit der Meldepflicht erreiche man nur die, die ohnehin offen mit ihrem Beruf umgingen, aber keinesfalls die, die unfreiwillig in die Prostitution geraten oder gezwungen sind. Um den Prostituierten wirklich zu helfen, müsse viel mehr getan werden. „Man muss die Prostituierten aufsuchen, mit ihnen sprechen, sie aufklären. Dafür muss viel mehr Zeit und Geld investiert werden.“ Das sei im Gesetz aber nicht erkennbar. Dazu kämen die Kosten, die den Kommunen zugeschoben werden. „Grundsätzlich begrüßen wir es, wenn sich die Politik für Prostituierte einsetzt“, sagt Bullerdiek. „Aber nicht auf diese Weise und nicht zu Lasten der Kommunen.“