Noch am vergangenen Freitag hatte es so ausgesehen, als würde Umweltminister Olaf Lies (SPD) neuer Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) werden. Er neigte dazu, das Angebot des Verbandes anzunehmen. Doch dann wurde die Personalie am Freitag öffentlich – und in der Nacht zum Sonnabend, wie Lies jetzt erklärte, änderte er seine Meinung. Zuvor war der Minister mit Massen an Mails und Anrufen überschüttet worden. Viele beknieten ihn, doch Minister zu bleiben und in dieser für die SPD so schwierigen Phase die Verantwortung in der Politik und in der Partei nicht aufzugeben. So sahen es auch Ministerpräsident Stephan Weil und andere führende Genossen in Niedersachsen, die derzeit auf jeden Fall den Eindruck vermeiden wollen, als würden fähige SPD-Politiker Zuflucht in anderen Berufsfeldern suchen. Denn eine solche Entwicklung könnte die Moral der Truppe empfindlich stören.

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So traten Lies und Weil am Montag gemeinsam vor die Presse, betonten wechselseitig ihre „erfolgreiche Zusammenarbeit“, die jüngst „noch einmal vertieft worden“ sei – und ihre „stets intensive, enge und vertrauensvolle Kooperation“ (Weil), die schon 2012 begonnen habe. Damals hatte Weil in der Mitgliederentscheidung zur SPD-Spitzenkandidatur für die Landtagswahl über Lies gesiegt. Weil sagte, Lies spiele auch weiter „eine ausgesprochen wichtige Rolle“ in der Landespolitik. Lies erklärte, er „stehe zu Niedersachsen“, gebe „ein klares Bekenntnis zur SPD ab“ und betonte: „Mein Platz ist in Hannover, ich gehöre hier her“.

Auf Fragen nach seinen weiteren Karriereplänen antwortete er ausweichend: Es gehe um den Augenblick und um ein Angebot, über das er habe entscheiden müssen. „Da macht es keinen Sinn, darüber zu spekulieren, was in drei Jahren sein wird.“ Vermutet wird in informierten Kreisen, dass der Ministerpräsident seinem Minister im Vieraugengespräch eine Perspektive auf einen weiteren politischen Aufstieg unterbreitet haben könnte. Gäbe es eine solche Abmachung, so könnte sie sicher nur bei strikter Verschwiegenheit aller Beteiligten Bestand haben. Danach gefragt, sagte Weil: „Es gab zwischen uns keinen Deal und keine Verhandlungen. Nach einer Phase der Überlegung hat sich Olaf Lies für die Vereinsfarben entschieden.“ Damit habe Lies „Haltung gezeigt“.

Mein Platz ist in Hannover, ich gehöre hier her.

In der Pressekonferenz ging Weil noch weiter. Deutlicher als bisher bekundete er, von sich aus keine Kandidatur für den SPD-Bundesvorsitz zu erklären: „Ich strebe es nicht an, ich erwarte es nicht. Ich gehe nicht davon aus, dass ich kandidieren werde.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass er doch Kandidat für den SPD-Bundesvorsitz werde, sei „nur eine theoretische, die nicht klar zu benennen ist“. Obwohl Weil damit klarer denn je erklärt, kein Interesse an der Parteiführung zu haben, schließt er dennoch wiederum nicht aus, als Retter in der Not doch zur Verfügung zu stehen. Das könnte durchaus geschehen, da gegenwärtig – drei Wochen vor Ende der Bewerberfrist – nur wenig überzeugende Namen ihre Bereitschaft bekundet haben. Unter den SPD-Spitzenpolitikern von Gewicht blieben nur noch Weil, Bundesfinanzminister Olaf Scholz oder die Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer und Manuela Schwesig, die als Integrationsfiguren in Betracht kämen. Scholz ist indes umstritten, Schwesig und Dreyer haben abgesagt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist durch das Hin und Her um den SPD-Bezirksvorsitz geschwächt, Bundesfamilienministerin Franziska Giffey gilt zwar als populär, hat aber keine starke Hausmacht hinter sich. Sigmar Gabriel und Martin Schulz haben sich inzwischen nach diversen Äußerungen ins Abseits gestellt.


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Weil ließ sich in der Pressekonferenz am Montag auch zu Aussagen über seine politischen Pläne hinreißen: Auf eine entsprechende Frage antwortete er, gern für die Landtagswahl 2022 wieder als SPD-Spitzenkandidat antreten zu wollen. „Wenn der liebe Gott mich lässt und meine Partei auch – denn gerne“, betonte Weil. Eine solche Bereitschaft hatte der 60-Jährige öffentlich bisher nicht erkennen lassen.