Von Jasmin Schönberger

Wenn es darum geht, Informationen aus dem Internet auf ihre Echtheit zu überprüfen, werden gerade Schüler leicht getäuscht: Geschickt inszenierte Reklame können viele nicht von Sachinformationen unterscheiden, und die Fähigkeit zu erkennen, ob eine Quelle seriös ist, sei gänzlich nicht vorhanden. Dieses Ergebnis einer jüngst vorgelegten Studie der Stanford-Universität verheißt nichts Gutes. Medienbildung ist also der Schlüssel, um die Schüler fit fürs digitale Zeitalter zu machen. Die Landesregierung hatte im Juli 2016 das Konzept „Medienkompetenz bis 2020“ beschlossen. Ein Teil davon ist die „niedersächsische Bildungscloud“ – eine Lernplattform für Schüler und Lehrer, für die Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) heute den Startschuss gibt. Aber reicht das wirklich aus? Wir haben uns in einigen Schulen umgesehen.

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Die IGS Roderbruch in Hannover gilt bei der Medienbildung als eine der Vorreiterschulen in Niedersachsen. In der Oberstufe, immerhin 21 Klassen, sind – elternfinanzierte – Laptops in den Unterricht integriert, dazu gibt es drei Tablet-Klassen in der achten Klasse, ab dem kommenden Schuljahr noch eine weitere. „70/30“ lautet die Formel: Zu 70 Prozent wird Unterricht auf traditionelle Weise gelehrt, 30 Prozent der Inhalte sind digital aufbereitet. In allen Fächern lernen die Schüler, wie sie online an seriöse Quellen gelangen. Im Intranet können gegenseitig Ergebnisse von Projekten präsentiert und abgerufen werden. Zusätzlich gibt es regelmäßige Präventions-Workshops, um Eltern, Lehrer und Schüler im Umgang mit den sozialen Medien zu schulen. Doch auch an der IGS gerät man an seine Grenzen, erklärt Schulleiterin Brigitte Naber. „Die Schulen finanzieren viel aus eigener Tasche. Die Lizenzen für die Programme können wir uns kaum leisten, viele Kollegen beschaffen selbst die Materialien für den Unterricht.“ Dazu komme, dass Lehrer fortgebildet werden müssten, dann aber im Klassenzimmer fehlten. Ein IT-Administrator, der im Notfall einen Server wieder in Gang setzen kann, fehle gänzlich. „Die Politik muss dafür sorgen, dass wir die nötigen Ressourcen bereitgestellt bekommen.“

Projekte wie die Bildungscloud seien sinnvoll, aber sie kommen nach Ansicht vieler Praktiker zu spät. „Wir verlieren im Bereich der Medienbildung gerade eine ganze Schülergeneration, die nicht adäquat ausgebildet wird. Es wurde zu lange geschlafen“, erklärt Naber. Andere, etwas ländlichere Schulen wie die KGS Neustadt am Rübenberge können gar von solchen Voraussetzungen, wie sie an der IGS Roderbruch vorherrschen, nur träumen. Hier ist man zwar nicht ganz in der digitalen Wüste, es existieren zwei Computerräume. „Aber wir freuen uns, dass wir ab heute eine 200-Mbit-Breitband-Verbindung bekommen. Mit der bisherigen 6-Mbit-Leitung war an Laptop- oder Tablet-Klassen gar nicht erst zu denken“, sagt Schulleiter Tobias Hunfeld. „Andere Bundesländer sind bei der Finanzierung weiter. Bayern gibt im kommenden Jahr zwei Milliarden Euro für den Ausbau von Breitbandverbindungen an Schulen aus. Niedersachsen stellt 60 Millionen Euro bereit. Das sind Standort-Nachteile für uns.“

Die Probleme der Schulen sind im Kultusministerium bekannt. Gerade an der Reform der Aus- und Fortbildung von Lehrern arbeite man mit Hochdruck. „Die jungen Lehrer werden seit einiger Zeit bereits im Studium gut ausgebildet. Wir haben zudem die Fort- und Weiterbildung weiter verstärkt und bieten Programme an, mit denen sich Informatik-affinen Lehrkräfte berufsbegleitend zur Informatikfachkraft qualifizieren können. Gerade in diesem Fach herrscht ein Mangel an Lehrkräften“, sagt Ministerin Frauke Heiligenstadt. Wie die große finanzielle Anstrengung geschafft werden soll, ist unklar. Hoffnung habe man zunächst in den Digitalpakt von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) gehabt. Fünf Milliarden Euro möchte der Bund für die digitale Aufrüstung bereitstellen. „Natürlich begrüßen wir sehr, dass die Länder bei der Digitalisierung unterstützt werden sollen. Die Bereitstellung der Mittel auf Bundesebene wird aber bei weitem nicht so schnell gelingen wie von Frau Wanka angekündigt. Sie hat ganz deutlich gesagt, dass dafür zurzeit und auch in der mittelfristigen Planung keine Mittel veranschlagt sind. Wenn man bedenkt, dass die Bundestagswahl vor der Tür steht, kann man abschätzen, dass die Realisierung dieser avisierten fünf Milliarden Euro für die digitale Bildung noch in weiter Ferne ist“, erklärt die sozialdemokratische Landesministerin.

Ein Streit um die Finanzierung überlagert das Problem also noch, hochgekocht durch die Wahlkampfzeit. Dabei sind die staatlichen Kassen doch gut gefüllt. Dass es einen großen Schub für moderne digitale Unterrichtsmethoden in Niedersachsen geben könnte, bleibt weiterhin mehr Wunschtraum als realistische Perspektive.