Das ist ohne Zweifel die spannendste und zugleich merkwürdigste Personalentscheidung in der Landespolitik – und sie zieht sich nun schon länger als ein Jahr hin. Es geht um die Frage, wer künftig das altehrwürdige Oberlandesgericht Celle leiten soll. Die alte rot-grüne Landesregierung hat noch in ihrer letzten Sitzung im November entschieden, die damalige Justiz-Staatssekretärin Stefanie Otte mit der Aufgabe zu betrauen. Einmal mehr käme in der männerdominierten Justiz eine Frau für eine Führungsfunktion in Betracht, noch dazu eine frühere Politikerin der Grünen, die in leitenden Positionen der Richterschaft eher selten sind. Doch nun werden nach Rundblick-Informationen neue Zweifel laut, ob bei der Vorbereitung der Personalentscheidung alles richtig gelaufen ist. War es am Ende ein unfaires Verfahren, das wiederholt werden muss?

Gerichte befassen sich mit dem Fall

Otte konnte ihrer Ernennungsurkunde bisher nicht bekommen, denn es gibt zwei Konkurrentenklagen. Sowohl der Präsident des Landgerichts Hannover, Ralph Guise-Rübe, als auch der Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig wollten ebenfalls Nachfolger des Ende Juli 2017 pensionierten Celler OLG-Präsidenten Peter Götz von Olenhusen werden. Da sie nicht zum Zuge kamen, reichten sie Konkurrentenklagen ein. Nun müssen sich die Verwaltungsgerichte in Hannover und Lüneburg mit dem Fall befassen. In Hannover, heißt es, könne die Entscheidung schon bald fallen. Dabei geht es dann zunächst um Formalien: Sind alle Unterlagen korrekt zusammengestellt worden, stimmen die Beurteilungen der Beteiligten, ist das Auswahlverfahren korrekt angewandt worden? Gut möglich ist, dass beide Verwaltungsgerichte zu unterschiedlichen Urteilen kommen. Deshalb wird ohnehin damit gerechnet, dass die zweite Instanz beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg die entscheidende sein wird.

 

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Manche Beteiligte sehen hier sogar eine Grundsatzfrage berührt, deshalb könnte ganz am Ende sogar das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Es geht nämlich auch um die Frage, ob es einen echten Wettbewerb nach Eignung, Leistung und Befähigung gegeben hat. Otte hatte Vorteile gegenüber ihren Mitbewerbern, da sie als Staatssekretärin nach B9 bezahlt wurde, Guise-Rübe und Lüttig sind niedriger eingestuft. Die Besoldungsstufe ist aber bei einer gleich guten Beurteilung aller Kandidaten das Entscheidende. Nun hatte Otte aber ihr B9-Gehalt nur erhalten, weil sie als politische Beamtin Staatssekretärin war. Die Frage ist erlaubt, ob Staatssekretärspositionen weniger mit Leistung und mehr mit politischer Nähe und Vertrautheit zur Ministerin begründet sind. Wenn man das bejaht, wäre Otte in einem Rennen angetreten, in dem von vornherein ungleiche Startbedingungen herrschten.

Wurde Ottes Auswahl geebnet?

Aber das ist nur eine Merkwürdigkeit. Die andere betrifft die Ausschreibung vom Januar 2017, die damals ausdrücklich nur auf niedersächsische Bewerber beschränkt war. Das ist zwar möglich, aber unüblich. Denn als Kandidaten für den Posten der OLG-Präsidenten in Oldenburg 2014 und in Braunschweig 2015 gesucht wurden, hatte man das Kandidatenfeld vorher nicht in der Weise eingeengt – übrigens auch später nicht, als ein neuer Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig gesucht wurde. Warum also beim OLG Celle diese Grenzziehung? Wollte man die niedersächsischen Kandidaten schützen? Wenn man bedenkt, dass Otte als Staatssekretärin wegen ihrer B9-Besoldung von vornherein die besseren Karten hatte, dann zieht diese Begründung nicht. Vielmehr wirkt die Ausschreibung nun so, als sollte Ottes Auswahl geebnet werden. Zwei mögliche Bewerber von außerhalb hätten ihr in die Quere kommen können – der BGH-Richter Michael Dölp, der früher einmal Staatssekretär in Schleswig-Holstein war, und der amtierende Staatssekretär Hubert Böning aus Sachsen-Anhalt, der ebenfalls aus Niedersachsen kommt. Unabhängig davon, ob beide überhaupt Interesse bekundet hätten, konnten sie doch als potenzielle ernsthafte Konkurrenten von Otte gelten. Vor allem gilt das für Böning, der auch B9 erhält, aber dessen frühere Laufbahn auf mehr Erfahrung basiert – er war früher mal Präsident des Landgerichts Braunschweig.

Gehalt hätte nicht mehr zu Buche geschlagen

Noch etwas anderes kommt hinzu: Die Entscheidung, Otte für die OLG-Präsidentenstelle auszuwählen, fiel ausgerechnet in der letzten Sitzung der alten rot-grünen Landesregierung. Den Grund dafür kann man in der Tatsache sehen, dass einige Wochen später, nach Ottes Ablösung als Staatssekretärin, ihr hohes B9-Gehalt in der Bewerbung nicht mehr zu Buche geschlagen hätte. Ist also der Termin der Kabinettsentscheidung zur OLG-Präsidentenstelle vom Interesse geleitet gewesen, die guten Startvoraussetzungen der Kandidatin Otte gerade noch nutzbar zu machen? Auch das würde einem fairen Verfahren wohl widersprechen. (kw)