Die Enquetekommission des Landtags zur Gesundheitsversorgung prüft, mit welchen Reformen unsere Krankenhauslandschaft verändert und verbessert werden kann. Zu diesem Zweck ließ sich das Gremium aus Abgeordneten, Ärzte-, Kassen-, Kommunal- und Verbandsvertretern am Montag über die Erfahrungen in den benachbarten Niederlanden berichten. Prof. Alex Friedrich vom Universitätsklinikum in Groningen erläuterte die Unterschiede in der Medizin der beiden Länder.

Und er beklagte, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Gesundheitsversorgung noch mangelhaft sei. „Ich werde nicht ruhen, bevor sich hier Entscheidendes verbessert hat“, sagte Friedrich, der in Nürnberg geboren wurde und bis 2011 an deutschen Kliniken als Mikrobiologe gearbeitet hat. Ein Grund für Vorbehalte gegenüber einer engeren deutsch-holländischen Kooperation könne aber auch darin liegen, dass die deutschen Kliniken in seinem Land nicht den besten Ruf hätten: „Viele sagen, dass die Krankenhäuser in der Bundesrepublik gefährlich seien.“

„Viele sagen, dass die Krankenhäuser in der Bundesrepublik gefährlich seien“, sagt ein Experte aus den Niederlanden – Foto: spotmatikphoto

Prof. Friedrich spricht von einem „anderen Umgang“ mit einem großen Problem, den multiresistenten Keimen, die in den Kliniken oft verbreitet werden. Als Ursachen gelten die Übertragung aus der Landwirtschaft auf den Menschen und die mangelnde Hygiene in der Krankenbehandlung. In der EU kommen als Folge solcher Infektionen jährlich 91.000 Menschen ums Leben – mehr als dreimal so viele, wie bei Verkehrsunfällen sterben. Die Niederlande hätten sich entschieden, den Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin radikal abzusenken.

In Frankreich und Griechenland kämen die meisten Antibiotika zum Einsatz, Deutschland liege „im oberen Drittel“ auf der internationalen Vergleichsliste. Generell würden in den Niederlanden recht wenig Arzneimittel verschrieben – was auch ein Indiz dafür sein könne, dass hier weniger Ärzte als in anderen Ländern aktiv sind. Das Verhältnis der Ärzte zu den Pflegern sei auch anders als in Deutschland. In Holland hätten die Pfleger nicht nur einen besseren Ruf, sondern auch mehr Verantwortung für den Umgang mit den Patienten. Im Vergleich zur Bundesrepublik seien die niederländischen Apotheken abschreckend: „Das sind keine Orte, an denen man sich gern länger aufhält.“

In den Niederlanden ist der Hausarzt eher eine Art Lotse

Im Unterschied zum niederländischen sei das deutsche Gesundheitssystem viel stärker auf Kliniken und Krankenhausaufenthalte ausgerichtet. Deutschland habe die meisten Klinikbetten je Einwohner. Da aber der Bereich Krankenhaushygiene und Hygienefachkräfte nicht gut genug entwickelt sei, außerdem nach wie vor zu viele Antibiotika verschrieben werden, laste den deutschen Häusern der Ruf an, riskant zu sein. In den Niederladen hingegen ist das Gesundheitssystem auf Abschreckung angelegt, wie Prof. Friedrich erläuterte: Der „Hausarzt“ sei anders als in Deutschland nicht der Allgemeinmediziner, zu dem man in die Sprechstunde gehe, sondern eine Art Lotse, der den Ratsuchenden nach einer ersten Einschätzung eine Diagnose stellt. Diese könne oft genug lauten, auf eine weitere Arztbehandlung zu verzichten.

Der niederländische „Hausarzt“ verstehe sich als „Antagonist“ zu den Fachärzten, die allesamt an Gesundheitszentren tätig sind. Weil es weniger Krankenhäuser in den Niederlanden gibt, müssten die Kranken länger auf eine Behandlung, etwa eine Hüftoperation, warten. Die Leute nähmen das aber durchaus in Kauf, Akutfälle würden natürlich vordringlich behandelt. Der Unterschied zwischen beiden Ländern im Anspruch an das Gesundheitssystem wird auch bei den Geburten deutlich. In den Niederlanden kommen nur 15 Prozent der Babys per Kaiserschnitt auf die Welt, in Deutschland sind es bis zu 40 Prozent. „Das liegt daran, dass wir in Holland vor allem Hausgeburten haben – und die Hebamme eine ganz andere Stellung in der Gesellschaft hat wie in Deutschland“, meint Prof. Friedrich.


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Was die Krankenhauskeime angeht, rät der Experte aus Groningen dringend zu einem „vernetzten Denken“. Da viele Patienten oft in andere Kliniken verlegt werden, helfe es wenig, wenn jedes Krankenhaus für sich einen Plan für mehr Hygiene und strengere Vorschriften erarbeite. „Sinnvoll funktionieren kann das alles nur, wenn auch das Nachbarkrankenhaus in solche Schritte einbezogen wird. Daher ist es wichtig, dass nicht jede Klinik ihr Geld nur in die eigene Einrichtung steckt.“