Der plötzlich angekündigte Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Chefin hat die Niedersachsen-CDU ziemlich kalt erwischt. Manche Funktionsträger meinen allerdings, der schwindende Rückhalt der bisherigen Bundesvorsitzenden habe sich schon vor Tagen angedeutet. Das Lager ihres Kontrahenten bei der Vorsitzendenwahl 2018, Friederich Merz, hatte sie von Anfang an mit Skepsis begleitet. Diese Gruppierung ist innerhalb der Niedersachsen-CDU nicht klein, sie dürfte sogar die Mehrheit stellen. Als in den vergangenen Tagen aber öffentlich auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther von Kramp-Karrenbauer abrückte, verstanden das viele als Signal – nun würden auch die letzten Getreuen von der Fahne gehen.


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Die scheidende CDU-Vorsitzende war dem „linken“ Flügel der Partei zugeordnet worden, sie hatte eine Nähe zu den Sozialausschüssen, wollte die Frauenförderung vorantreiben und stand im Wesentlichen für die Kontinuität der Arbeit von Kanzlerin Angela Merkel. Merz wurde geliebt und geachtet beim Wirtschaftsflügel, in der Jungen Union und bei den Konservativen.

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In der Niedersachsen-CDU gibt es nun aber mehrere Merz-Anhänger, die im nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet die neue Leitfigur sehen. Er wird formell auch dem „linken“ Flügel zugerechnet, ihm wird aber eine hohe Integrationsfähigkeit zugesprochen. So könne er Merz auf der rechten und Günther auf der linken Seite gleichermaßen einbinden. In einem Team mit Merz wäre Laschet ein hervorragendes Angebot, heißt es.

CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur in einer Hand

Laschet genießt am ersten Tag nach dem angekündigten Rückzug von Kramp-Karrenbauer in der Niedersachsen-CDU offenbar einen gewissen Favoritenstatus. Aber auch zwei andere Namen werden genannt: Jens Spahn, der eifrige Gesundheitsminister und Vertreter der jungen Generation, und Ralph Brinkhaus, der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, der viele Fans in seiner Fraktion hat. Laschet hat beiden voraus, dass er als Ministerpräsident von NRW eine starke Machtposition mitbringt, die ihm im Bundestagswahlkampf eine natürliche Autorität verleihen würde.

Diese Situation ist eine Chance, die verschiedenen Gruppierungen in der CDU, die auseinandergedriftet waren, wieder zusammenzuführen. Das kann Kramp-Karrenbauer viel besser als bisher, da ihr niemand mehr vorhalten wird, sie tue alles nur aus eigenem Interesse an einer späteren Kanzlerkandidatur.

Die offiziellen Stellungnahmen der führenden niedersächsischen CDU-Politiker sind sehr zurückhaltend. CDU-Landeschef Bernd Althusmann sagte, Kramp-Karrenbauer habe den Zusammenhalt der Union über ihre eigene Person gestellt und damit „menschliche Größe bewiesen“. Parteivize Reinhold Hilbers, Finanzminister in Hannover, mahnte, man solle jetzt „nicht vorschnell über Köpfe und Kandidaten reden“. Er teile die Einschätzung der scheidenden Vorsitzenden, dass CDU-Vorsitz und Kanzlerkandidatur in einer Hand liegen sollen.

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Der einzige, der sich offen bekennt, ist der Braunschweiger CDU-Landesvorsitzende Frank Oesterhelweg: „Ich finde den Schritt von Kramp-Karrenbauer respektabel. Wenn es um die Nachfolge geht, stehe ich weiter zu Friedrich Merz“, betonte Oesterhelweg im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Die Oldenburger Landesvorsitzende Silvia Breher, Vize-Bundesvorsitzende der CDU, sagte dem Rundblick: „Diese Situation ist eine Chance, die verschiedenen Gruppierungen in der CDU, die auseinandergedriftet waren, wieder zusammenzuführen. Das kann Kramp-Karrenbauer viel besser als bisher, da ihr niemand mehr vorhalten wird, sie tue alles nur aus eigenem Interesse an einer späteren Kanzlerkandidatur.“

Merz hat mehrere engagierte Anhänger, aber…

Die Kräfteverhältnisse in der Niedersachsen-CDU sind so: Althusmann hat sich stets bedeckt gehalten, galt aber 2018 intern als Merz-Anhänger. Inzwischen, heißt es, pflege er einen intensiven Kontakt mit Armin Laschet. Dirk Toepffer aus Hannover, Fraktionschef im Landtag, steht für den Flügel der liberalen, großstädtisch geprägten CDU. Auch er, wird vermutet, könnte mit Laschet gut leben. Für den „rechten“ Flügel, repräsentiert durch Oesterhelweg, den JU-Bundesvorsitzenden Tilman Kuban (Barsinghausen) und den früheren Landes-Innenminister Uwe Schünemann (Holzminden), dürfte sicherlich zuerst Merz in Betracht kommen.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (Verden) genoss es sogar vor wenigen Tagen, Merz in einer Parteiveranstaltung als Rückkehrer in den Bundestag willkommen heißen zu können. Merz hat in der Niedersachsen-CDU mehrere engagierte Anhänger – aber viele von ihnen wollen ihr Idol nicht unbedingt als Kanzler, ihnen würde auch seine herausgehobene Rolle in einem Team genügen.