Der Fall einer zweifelhaften Auftragsvergabe des Sozialministeriums im Zusammenhang mit einem „Dolmetscherpool“ für Flüchtlinge rüttelt die Landespolitik auf. Die Opposition im Landtag und der Bund der Steuerzahler (BdSt) zeigen sich verärgert und fordern Aufklärung. Der Grünen-Innenpolitiker Belit Onay meinte gegenüber dem Politikjournal Rundblick: „Vergaberichtlinien gehören zum täglichen Geschäft von Behörden und Ministerien. Wenn es stimmt, dass das Sozialministerium fast eine halbe Million Euro frei vergeben hat, ist das in mehrfacher Hinsicht skandalös. Nicht nur, dass hier das Parlament augenscheinlich bewusst in die Irre geführt wurde – es wird offensichtlich auch noch an der unzulässigen Vergabe festgehalten.“ Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Bernhard Zentgraf, fordert eine Untersuchung des Landesrechnungshofs. Geklärt werden müsse auch, wer im Sozialministerium die Entscheidung getroffen hat. Einige der Kritiker sprechen von einem bisher beispiellosen Fall von Verschwendung.


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Der Rundblick hatte am Dienstag exklusiv über den Fall berichtet. Im Sommer 2017 ging es um die Förderung eines Pools zur Bereitstellung von Übersetzern, die etwa in der Flüchtlingsarbeit tätig werden. Dieser Zweck gilt allerdings als zweifelhaft, weil viele Kommunen derartige Leistungen bereits erbringen. Aus einem Landestopf von 1,75 Millionen Euro erhielt ein Anbieter, ein hannoversches Büro, eine Summe von 445.000 Euro. Eine ordnungsgemäße Vergabe des Auftrags hatte es aber offenbar nicht gegeben, da Formvorschriften nicht beachtet wurden. Das Sozialministerium erkannte selbst den Fehler und schrieb an einen Mitbewerber, der selbst gern den Auftrag erhalten hätte, dass der Bewilligungsbescheid „unzulässig“ sei, allerdings weiter Bestandskraft habe. Diese Äußerung fiel allerdings erst Mitte dieses Jahres. Das Projekt solle, so das Ministerium weiter, zunächst zum 30. November dieses Jahres auslaufen. Damit werden Zweifel laut, ob die 445.000 Euro womöglich für ein sinnloses Projekt ausgegeben wurden, das wahrscheinlich vom Sozialministerium gar nicht fortgeführt wird.

Nach den Worten des BdSt-Präsidenten Zentgraf ist in diesem Fall eine „lückenlose Aufklärung“ notwendig. Nicht nur die vergaberechtlichen Mängel seien auffällig, sondern auch die Tatsache, dass der zusätzliche Bedarf der Ausgabe „völlig unklar“ bleibe. Fraglich sei überdies, was mit dem Landeszuschuss von 445.000 Euro nun tatsächlich geschehen sei. Der Grünen-Politiker Onay sieht überdies noch einen mangelhaften Umgang der Landesregierung mit dem Parlament. Er bezieht sich dabei auf eine Grünen-Landtagsanfrage von März 2018, in der sich die Grünen nach den näheren Umständen der Auftragsvergabe erkundigten. Die Antwort im April erwähnt „13 Bewerbungen juristischer Personen“ für diese Ausgabe. Von den schweren Mängeln im Vergabeverfahren, die dann zur Einstufung des später erteilten Bewilligungsbescheides als „unzulässig“ führten, ist in dieser Antwort der Regierung an den Landtag noch keine Rede. Darüber wird dann erst in einem späteren internen Schreiben an einen Mitbewerber informiert. Laut Onay wurde der Landtag vom Sozialministerium im vergangenen April bewusst schlecht informiert. Ministerin Carola Reimann müsse nun rasch über das fehlerhafte Verhalten ihrer Mitarbeiter berichten und rechtliche Konsequenzen ziehen. Die FDP-Sozialpolitikerin Sylvia Bruns erklärte: „Offenbar reiht sich diese Vergabe in zahlreiche Fehler der SPD-geführten Landesregierung ein. Neben der Frage, ob Recht und Gesetz eingehalten wurden, geht es auch um den sorgsamen Umgang mit Steuergeld.“ Die FDP beantrage daher eine Unterrichtung im Sozialausschuss des Landtags.