Müssen Niedersachsens Kommunen ihre jeweiligen Verordnungen zum Schutz von Natura-2000-Gebieten womöglich allesamt neu erlassen? Diese Folge könnte eintreten, wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) demnächst in einem Osnabrücker Fall so entscheiden sollte. 

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Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hatte einen Fall an das Luxemburger Gericht überwiesen. Konkret soll der EuGH klären, ob vor der Ausweisung von Natura-2000-Schutzgebieten gemäß der Fauna-Flora-Habitat- oder der Vogelschutz-Richtlinie der EU zwingend eine sogenannte „strategische Umweltprüfung“ durchzuführen ist, und wenn ja, welche Bereiche der Verordnung diese umfassen muss.

Ist es also notwendig, dass eine Kommune die potenzielle Wirksamkeit einer Schutzgebietsausweisung für die gesamte Verordnung untersuchen lässt? Oder reicht es aus, wenn die Auswirkungen der Ausnahmeregelungen beispielsweise für land- oder forstwirtschaftliche Nutzung, für Fischerei oder Wasserwirtschaft nur spezifisch betrachtet werden?

Vorgehen des Oberverwaltungsgerichts ist ungewöhnlich

Der Gedanke dahinter lautet: Es soll vermieden werden, dass Ausnahmeregelungen den eigentlichen Schutzcharakter der Natura-2000-Gebiete unterminieren. Sollte der EuGH zu dem Ergebnis kommen, dass eine solche „strategische Umweltprüfung“ hätte stattfinden müssen, so stellt sich eine Anschlussfrage. Das OVG möchte dann zudem erfahren, wie mit diesem Fehler nun umgegangen werden muss.

Eine Neuausweisung der Gebiete nach einer dann nachgeholten Überprüfung wäre dabei wohl die größte Herausforderung. Deutlich einfacher könnte es aber sein, diese sogenannten SUP-Prüfungen dann nachträglich vorzunehmen und den Verfahrensfehler so im laufenden Prozess zu heilen.


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Das Vorgehen des OVG ist durchaus ungewöhnlich: Für die Auslegung von EU-Recht ist formal zwar der EuGH zuständig. Dass ein Gericht, zumal auf Länderebene, nach einer solchen Überprüfung verlangt, kommt derweil nicht häufig vor. Auslöser der Entscheidung war ein Normenkontrollverfahren zur Überprüfung der Verordnung für das Landschaftsschutzgebiet „Bäche im Artland“ im Landkreis Osnabrück.


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Wann mit einem Ergebnis des EuGH zu rechnen ist, lässt sich laut OVG-Sprecher derzeit nicht sagen. Die Entscheidung dürfte allerdings nicht nur in Niedersachsen, sondern auch bundesweit mit einer gewissen Spannung erwartet werden. Schließlich wurden besagte „strategische Umweltprüfungen“ laut OVG bislang nirgends vor Erlass der Schutzgebietsverordnungen durchgeführt.