Petra Bahr, Regionalbischöfin Hannovers, wünscht sich wieder mehr Verantwortungsübernahme in der Politik. „Die Idee des Rücktritts ist sehr aus der Mode gekommen und das ist nicht gut für die Gesellschaft“, sagte die Theologin kürzlich bei einem Salongespräch in der Villa Seligmann. Dort diskutierte sie mit Eliah Sakakushev-von Bismarck, dem Direktor des Hauses, und Prof. René Dausner von der Universität Hildesheim über die Frage, wie Versöhnung aus jüdisch-christlicher Perspektive gelingen kann.

Petra Bahr diskutiert mit Eliah Sakakushev-von Bismarck. | Foto: Kleinwächter

Bahr sagte, dass die „Bitte um Entschuldigung“ verlernt werde, und meint das auch in einem sprachlichen Sinne. Es sei etwas anderes, ob man „tschuldigung“ dahin sage und sich damit mehr selber verzeihe als das Gegenüber adressiere, oder ob man tatsächlich um Entschuldigung bittet. Das sei eine „Umkehrung des Richtungssinns“.

Als Beispiel für eine Politikerin, die in jüngster Zeit einmal um Verzeihung gebeten hätte, führte Prof. Dausner die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Als diese wegen der missglückten „Osterruhe“ in der Corona-Zeit die Bevölkerung öffentlich um Verzeihung gebeten hatte, sei eine Situation entstanden, in der nicht absehbar gewesen sei, was daraus folgte – ob und wie dieser Akt vom Adressaten angenommen wird.

Prof. René Dausner | Foto: Kleinwächter

Als ein weiteres Beispiel, diesmal für einen bemerkenswerten Rücktritt im kirchlichen Kontext, erinnerte der Professor für systematische Theologie an Papst Benedikt XVI. Dieser habe seine eigene Lage wahrgenommen, dann Amt und Person voneinander getrennt und sei schließlich zum Schutz des Amtes zurückgetreten. „Das könnte Schule machen“, sagte Prof. Dausner, „aber ich frage mich, warum angesichts des Missbrauchsskandals nicht sehr viel mehr diesen Schritt gehen.“

Bahr sieht die Hürde für Rücktritte oder öffentliche Entschuldigungen gerade darin, dass die Gesellschaft Amt und Person noch viel zu eng miteinander verknüpfe. Einzuräumen, dass man sich geirrt hat, sei schwar, auch demütigend. Gleichzeitig stecke in diesen Ritualen die Chance, dass die „Zwangsläufigkeit“ durchbrochen werde und so Neues beginnen könne.