Wenn es um die bessere Überwachung von terroristischen Gruppen geht, setzt Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) auf die CDU in den wahrscheinlich bevorstehenden Koalitionsgesprächen von Union, FDP und Grünen auf Bundesebene. „Ich hoffe, dass sich die Christdemokraten in der Frage der Quellen-TKÜ durchsetzen und bei ihrer Zusage bleiben“, erklärte Pistorius nach einer Konferenz der sozialdemokratischen Innenminister am Mittwoch in Hannover-Isernhagen. Die „überholte rechtliche Trennung von Telekommunikationsdiensten und  Telemediendiensten“ müsse überwunden werden. Das Internet dürfe „kein rechtsfreier Raum sein“. Das Bundesrecht müsse hier angepasst werden.

Boris Pistorius (Vierter von rechts) und die Konferenz der SPD-Innenminister. Foto: Christian

Mit der Quellen-TKÜ ist die – bisher nicht zweifelsfrei im Gesetz verankerte – rechtliche Möglichkeit für die Sicherheitsbehörden gemeint, über Trojaner auf einem Computer auch die verschlüsselte Kommunikation, etwa über E-Mails, entziffern und damit lesbar zu machen. Wenn extremistische oder kriminelle Organisationen auf diesem Weg kommunizieren und womöglich Anschläge planen, soll die Polizei dies mitbekommen können. Neben der jetzt schon erlaubten Telefonüberwachung soll dieser Weg nach Ansicht von Pistorius möglich und rechtlich einwandfrei abgesichert werden. Dass er dabei auf die CDU setzt, liegt auch daran, dass FDP und Grüne die Quellen-TKÜ („Quellen-Telekommunikationsüberwachung“) skeptisch sehen. Dies haben Vertreter von Grünen und Freidemokraten vor einigen Monaten auch im Innenausschuss des niedersächsischen Landtags so geäußert. Die sozialdemokratischen Innenminister aus Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Berlin, die sich mit BKA-Präsident Holger Münch zu ihrer Tagung getroffen haben, stehen in dieser Streitfrage allerdings an der Seite der Innenpolitiker der Christdemokraten. „Es sollten auch die in einer Cloud gespeicherten Daten beschlagnahmt werden können“, betonte Pistorius nach dem Treffen.

Die SPD-Politiker sprachen sich außerdem dafür aus, die Cyber-Ermittlungen zu intensivieren, damit extremistische Tendenzen frühzeitig erkannt werden können. Die Verbreitung von Hasskommentaren und Propaganda im Netz müsse wirksamer bekämpft werden. Die Bundespolizei und das BKA müssten „deutlich aufgestockt“ werden, die Videoüberwachung an stark besuchten öffentlichen Räumen und Plätzen solle „angemessen ausgedehnt“ werden, die Polizei solle soziale Medien intensiver nutzen. In ihrer „Hannoverschen Erklärung“ plädieren die sozialdemokratischen Innenminister außerdem dafür, „eine Art europäisches FBI bei Europol“ aufzubauen und eine „gemeinsame europäische Grenzschutzpolizei“ zu gründen. Deutsche Polizisten sollten verstärkt an internationalen Polizeimissionen teilnehmen.

Die Innenminister und -senatoren plädieren außerdem für ein „bundesweites Muster-Polizeigesetz“, in dem gemeinsame Standards für die Sicherheitspolitik festgelegt werden. Nötig sei in Deutschland „ein Grundkonsens“ über die Zuständigkeiten und Grenzen der Polizeiarbeit, die angesichts einer verschärften Sicherheitslage neu festgelegt werden sollten. Das gelte beispielsweise auch für die Frage, wie man mit Gefährdern umgehen soll – also solchen Leuten, von denen eine Anschlagsgefahr ausgeht, die aber noch nicht straffällig geworden sind. In diesem Mustergesetz solle auch festgelegt werden, dass Gefährder mit einer elektronischen Fußfessel ausgestattet werden. In Niedersachsen hatte Rot-Grün jahrelang über Änderungen beim Polizeigesetz diskutiert, die Prämissen hatten sich im Laufe der Zeit geändert. Die Reform des alten, noch aus schwarz-gelber Zeit stammenden Gesetzes kam dann aber bis zum Abschluss der Wahlperiode nicht mehr zustande. Pistorius sagte, ein Muster-Polizeigesetz könne helfen, die Standards in allen Bundesländern anzugleichen. Jedes Land müsse aber selbst entscheiden, ob es den empfohlenen Weg gehe. Ein bundesweites Rahmengesetz für in allen Ländern verbindliche Regeln der Polizeiarbeit sei jedenfalls  verfassungsrechtlich nicht vorgesehen – daher scheide dieser Weg aus.