Marita Haouari ist im landespolitischen Dunstkreis einigen bekannt als Mitarbeiterin des niedersächsischen Umweltministers, was auch der Grund ist, aus dem sie dem Autor dieser Zeilen aufgefallen ist. Doch um ihren aktuellen Job soll es hier gar nicht gehen. Denn Marita Haouari ist auch jenseits dieser Tätigkeit ein politischer Mensch und sagt, hier gehe es jetzt mal nicht um das, was der Minister sagt, sondern: „Hier geht’s um meine Stimme!“

Politiknerd Marita Haouari | Foto: privat/MU

Dass ihr Lebensweg sie einmal in ein Ministerium und sogar ganz nah ans Zentrum der politischen Macht führen würde, war für Marita Haouari alles andere als eindeutig. Und es war auch nicht ihr Ziel. Weder ist sie Mitglied einer Partei noch einer anderen politischen Organisation. Eigentlich ist die 46-Jährige ausgebildete Hotelfachfrau und hat gerne in diesem Beruf gearbeitet. Die Frage, wie sich diese Arbeitsbedingungen mit einem Privatleben mit Mann und Kind vereinbaren lassen, hat sie sich allerdings zunächst nicht gestellt. Als ihr Sohn dann aber da war, musste sich etwas ändern – an den Arbeitszeiten und am Gehalt. Nach einer Weiterbildung zur Office-Managerin ging Marita Haouari zuerst zu einem Anwalt, dann zu einem Architekten und kam schließlich ins Vorzimmer der Abteilungsleitung im Umweltministerium. 2020 fragte man sie schließlich, ob sie als Assistentin in die Pressestelle wechseln wolle, wo sie nun auch unter anderem für die Social-Media-Arbeit zuständig ist.

In den sozialen Medien erhebt Marita Haouari auch privat ihre Stimme. Beim Business-Netzwerk LinkedIn fällt sie mit klaren politischen Botschaften auf. Empowerment ist ihre Botschaft, Sichtbarkeit für marginalisierte Gruppen ihr Ziel. Wo kommt das her? Ihre Eltern haben sich kirchlich engagiert, erzählt Marita Haouari im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Insbesondere der Einsatz für jesidische Flüchtlinge, die in der Kirchengemeinde, auf deren Gelände auch Haouaris Eltern gelebt haben, Kirchenasyl gesucht haben, hebt sie hervor. Schon in ihrer Kindheit und Jugend hatte sie viele Freundschaften zu Menschen mit Migrationsgeschichte. Ihre große Liebe zu Afrika entdeckte sie mit 19 Jahren im Urlaub in Tunesien, wo sie ihren späteren Mann kennenlernte. Die rassistischen Erfahrungen in Behörden, bei Vorstellungsgesprächen und im ganz normalen Alltag, die sie infolgedessen machte, haben sie sensibilisiert: „Soziale Ungerechtigkeit und Rassismus waren und sind mir immer ein Dorn im Auge und daher mache ich immer wieder darauf aufmerksam!“



Tunesien ist für sie inzwischen kein Urlaubsziel mehr, sondern ein Stück Heimat. Ein Jahr lang hat sie dort gelebt und gearbeitet, regelmäßig besucht sie mit Mann und Kind die Familie, die dort lebt. Als kürzlich europäische Regierungschefs, die deutsche Innenministerin und die EU-Kommissionspräsidentin das Land besucht haben, um darüber zu verhandeln, wie vor Ort die EU-Außengrenze vor illegalen Flüchtlingen aus Afrika geschützt werden könnte, war das einer dieser Momente, in denen Marita Haouari innerlich die Hand zur Faust ballen musste. Die Weltpolitik ist ihr im Privaten deutlich näher als die niedersächsische Landespolitik. Viel zu spät interessiere man sich in Europa jetzt für Tunesien, wirft Haouari den handelnden Akteuren vor. Das Land hätte viel früher Unterstützung gebraucht, direkt im Zuge der Revolution. Man müsse sich auf Augenhöhe begegnen und dem Land wirtschaftlich helfen. „Es müssen doch die Fluchtursachen bekämpft werden und nicht nur über die Abschottung der Außengrenzen diskutiert werden“, sagt sie.

Es ist aber nicht nur die Lage in Tunesien, über die sie sich Gedanken macht. Auch die politische Stimmung in Deutschland treibt sie um. Dass am vergangenen Sonntag erstmals ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt wurde, erfüllt Marita Haouari mit großer Sorge – und hat sie noch einmal darin bestärkt, an diesem Format hier teilzunehmen und ihre Stimme zu erheben. „Diese Wahl ist eine Katastrophe“, sagt sie. Über die sozialen Netzwerke pflegt sie den Kontakt zur BIPoC-Community in Deutschland, was als Abkürzung für Schwarze, Indigene und People of Color steht. Aus dieser Community bekomme sie immer häufiger berichtet, dass es einen Notfall-Koffer gepackt gäbe, falls man schleunigst das Land verlassen müsse. „Es geht dabei nicht nur um die AfD. Die Gedanken sind offenbar und offensichtlich bei vielen Menschen vorhanden.“ Marita Haouari hört diese Sorgen und Ängste und sie trägt sie auch weiter.

Foto: Screenshot LinkedIn

Für Marita Haouari und ihre Familie steht ein Wegziehen aus Hannover, wo sie aufgewachsen ist, lebt und arbeitet, nicht unmittelbar bevor – „nicht morgen und nicht übermorgen“. Aber es steht durchaus immer wieder im Raum, irgendwann nach Tunesien zu ziehen. „Allerspätestens in der Rente“, sagt sie, und dann vielleicht im halbjährigen Wechsel. Denn sie sieht in Afrika großes wirtschaftliches und innovatives Potenzial. Die Sorge um den erstarkten Rechtsruck in Deutschland und die Ohnmacht und das Schweigen der Mehrheit bereiten Marita Haouari, ihrer Familie und Freunden viele schlaflose Nächte. In Tunesien dagegen treiben diese Sorgen sie nicht um.


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