Es gibt im Frühjahr 2018 mindestens vier Ungewissheiten, die gleichzeitig auf dem neuen Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) lasten. Vier Gründe, warum die schöne Zeit der vollen Kassen womöglich bald vorbei sein könnte. Erstens könnte sich die Konjunktur eintrüben, die Zinsen könnten steigen – das würde die seit Jahren kräftig sprudelnden Steuerquellen drosseln. Zweitens könnten dem Minister die Personalausgaben über den Kopf wachsen, zumal das Land seit Jahren mehr Leute einstellt, auf Kürzungen beim Personal aber – trotz gegenteiliger Ankündigungen – verzichtet hat. Die Große Koalition setzt hier den Weg von Rot-Grün fort. Drittens stocken die Verhandlungen zwischen Land und Kommunen, und die Erwartungen der Bürgermeister und Landräte sind hoch: Sie pochen auf wesentlich höhere Zuschüsse vom Land, vor allem für die Kindergartenfinanzierung. Schließlich viertens könnte über kurz oder lang die Nord/LB zum Sorgenkind werden, spätestens dann, wenn ihr Kapitalbedarf steigen sollte. Falls das so käme, dürfte es um große Summen gehen.

Liste mit Folgekosten im Ausschuss

Die vier Gründe machen Hilbers, der sich sonst nicht durch übergroße Vorsicht und Zurückhaltung auszeichnet, in seinen momentanen öffentlichen Prognosen eher schmallippig. Gestern legte der CDU-Politiker dem Haushaltsausschuss des Landtags eine Liste mit Zahlen vor, mit denen die Folgekosten der jetzt für den Nachtragsetat 2018 beschlossenen Mehrausgaben beschrieben werden. Das betrifft den Verzicht auf Elternbeiträge für die Kindergärten ab August, 750 neue Polizisten- und 1000 neue Lehrerstellen, höhere Zuschüsse für den Krippenausbau, höhere Ausgaben für Flüchtlinge, säumige Väter und den kommunalen Finanzausgleich, sowie für 99 zusätzliche Stellen in den Ministerien. Das alles kostet das Land in diesem Jahr 776 Millionen Euro mehr – und in den Folgejahren dann 691 Millionen (2019), 999 Millionen (2020) und 1,02 Milliarden (2021). Diese Aufstellung ist öffentlich und nachvollziehbar, sie wurde im Ausschuss von Hilbers vorgelesen und von den Politikern auch nicht beanstandet.

Drei Ungewissheiten sind nicht eingerechnet

Allerdings gibt es noch eine zweite, nach wie vor geheime Liste des Finanzministeriums, die noch ein paar Risiken einbezieht, die Hilbers öffentlich nicht beziffern wollte. Wenn also die Ausgangslage düsterer wird, steigen die Folgekosten des Nachtragsetats 2018 nach internen Berechnungen wesentlich stärker an: 2020 wären es dann schon 1,46 Milliarden Euro, 2021 sogar 1,62 Milliarden. Wir kommt das Ministerium zu dieser eher düsteren Betrachtung? Drei große Ungewissheiten, ein drohender Konjunkturabsturz oder Zinsanstieg oder eine Krise rund um die Nord/LB, sind hierin nicht eingerechnet. Wohl aber andere mögliche unschöne Entwicklungen: Dass nämlich für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge jedes Jahr (wie 2018) 113 Millionen Euro an die Kommunen erstattet werden müssten für Unterkünfte, Betreuung und Förderung. Rund 4500 von diesen jungen Menschen leben derzeit in Niedersachsen. Oder dass jährlich 100 Millionen Euro für die Sanierung der Uni-Kliniken in Hannover und Göttingen aus dem Haushalt fließen müssten und nicht – wie bislang geplant – aus dem Haushaltsüberschuss aus 2017 abgezapft werden können. Oder dass die jährliche Tarifsteigerung für die rund 200.000 Landesbeschäftigten und Pensionäre nicht bei geschätzt zwei Prozent läge, sondern bei drei Prozent. Jeder Prozentpunkt mehr würde den Landesetat um 120 Millionen Euro zusätzlich belasten. Käme das so, dann würde der Mehraufwand allein für Personalkosten schon 2021 bei 390 Millionen Euro liegen, Tendenz steigend.

Land muss Teil des Geldes abgeben

In der vertraulichen Liste des Finanzministers ist zudem noch ein weiterer Hinweis enthalten, der aufhorchen lässt. Es geht um die Frage, wie sich die Finanzverhältnisse zwischen Land und Kommunen entwickeln werden. Vor wenigen Tagen hatte Hilbers im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick darauf hingewiesen, dass mit der Neuaufteilung der Bund-Länder-Finanzen von 2020 an das System geändert wird – und Zuschüsse, die das Land bisher direkt und zur freien Verfügung erhalten hatte, über die Umsatzsteuer fließen. Das heißt, das Land muss ein Teil dieses Geldes künftig an Städte und Kreise abgeben. Da zusätzlich die kommunale Gewerbesteuerumlage an den Bund von 2020 an entfällt, habe das Land Mindereinnahmen von jährlich rund 400 Millionen Euro, im gleichen Umfang wären die niedersächsischen Kommunen entlastet. Hilbers sagte dem Rundblick vor ein paar Tagen, man müsse nun „einen neuen Verteilungsmaßstab finden“. In seiner internen Auflistung zur Haushaltspolitik wird der Minister konkreter. Hier wird angepeilt, dass von 2020 an jährlich 200 Millionen Euro von den Kommunen an das Land fließen könnten –zum Ausgleich für Mindereinnahmen, die das Land wegen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen erleiden muss. Ob dieses nur intern formulierte Ziel aber zu erreichen ist, bleibt offen: Die Kommunen jedenfalls zeigen dazu bisher keinerlei Bereitschaft. Und der Minister begnügt sich vorerst damit, die eigenen Vorstellungen nur in ein geheimes Papier zu schreiben.

Kritik aus dem Landesrechnungshof

Wie umstritten die aktuellen Finanzplanungen der Großen Koalition sind, zeigte die Sitzung des Haushaltsausschusses. Während SPD und CDU den Nachtragsetat verteidigten, übten Christian Grascha (FDP) und Stefan Wenzel (Grüne) scharfe Kritik. Auch Sandra von Klaeden, Präsidentin des Landesrechnungshofes, zeigte sich unzufrieden: Nachteilig sei, dass die Koalition bislang keine Anstalten mache, Personal einzusparen. In vielen Bereichen seien auch die neuen Posten in den Ministerien nicht ausreichend begründet. Warum etwa das Wirtschaftsministerium 28 neue Stellen benötige, werde man wohl erst im angekündigten „Masterplan Digitalisierung“ nachlesen können, meinte von Klaeden. (kw)