Eine deutliche Mahnung – und darüber hinaus viele Hinweise auf Probleme und Versäumnisse. Der Jahresbericht des Landesrechnungshofes (LRH) umfasst 253 Seiten. Besonders bedeutsam ist darin eine Einschätzung zu den Kosten der beiden größten Baustellen des Landes, der Hochschulmedizin in Hannover (Medizinische Hochschule) und in Göttingen (Universitätsmedizin). Der LRH empfiehlt nun, bei der Finanzierung beider Vorhaben auch private Investoren einzubeziehen. Auf keinen Fall dürften die Vorhaben auf die lange Bank geschoben werden.

Die Baustellen der Unikliniken Hannover und Göttingen bereiten dem Landesrechnungshof Sorgen. Foto [M]: Calado / Landesrechnungshof

Universitätsmedizin: Bisher ist offiziell immer noch von 2,1 Milliarden Euro die Rede, etwa je zur Hälfte soll das Geld für die MHH in Hannover und die UMG in Göttingen verwendet werden. Ein „Sondervermögen“ ist im Landeshaushalt gebildet worden, es wurden bereits 1,2 Milliarden zur Seite gelegt worden. Der Rechnungshof zweifelt die offiziell verbreiteten Zahlen inzwischen massiv an. So habe die Regierung intern bereits im Herbst 2017 eingeräumt, dass sehr viel mehr Investitionen als bisher geplant notwendig seien, ein Betrag von 3,2 Milliarden Euro habe damals kursiert. In einem gemeinsamen Workshop von Staatskanzlei, Finanz- und Wissenschaftsministerium sei dann vor gut zwei Monaten eine neue Schätzung einschließlich von Risiken, Baupreisanstieg, Erschließungs- und Zwischennutzungskosten präsentiert worden – und diese habe unterm Strich sogar 5 Milliarden Euro gezeigt, also mehr als doppelt so viel wie bisher veranschlagt. Nun beharrt der LRH darauf, dass das Projekt binnen zehn Jahren fertig sein soll und nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfe, denn nach 15 Jahren werde ein Projekt, das für fünf Millionen Euro geschätzt werde, 264.000 Euro teurer werden. Neben der Baukostensteigerung komme ein höheres Risiko für den medizinischen Betrieb hinzu. Deshalb raten die Prüfer, den Haushaltsansatz zu erhöhen – womöglich über den Weg, private Finanziers einzubeziehen über ein „ÖPP“-Projekt, also die Verknüpfung von öffentlichen und privaten Investoren.

Gutachter-Verträge: Zwischen 2014 und 2016 hatte die damalige rot-grüne Landesregierung nach Untersuchungen des Landesrechnungshofs 470 Verträge mit einem Volumen von zusammen 30 Millionen Euro für Gutachten und Beratungsleistungen vergeben. 85 Prozent davon seien mangelhaft gewesen, 81 Prozent habe man freihändig – also ohne Ausschreibung – vergeben. Bei lediglich einem Viertel seien vorher Vergleichsangebote eingeholt werden, die Prüfer sprechen insgesamt von „gravierenden Haushaltsverstößen“.

Zu früh in den Ruhestand: Eine Untersuchung für die Zeit von 2015 bis 2017 zeigte, dass mehr als die Hälfte der Beamten vor Erreichen der Altersgrenze vorzeitig auf eigenen Antrag in den Ruhestand gewechselt sind, auch um den Preis von teilweise erheblichen Abstrichen (bis zu einem Fünftel) bei der Versorgung. Ein Drittel der Ausgeschiedenen (insgesamt 2500 Personen) ging bereits zwischen dem 60. und dem 63. Lebensjahr. Dies ist in Niedersachsen, anders als in vielen anderen Ländern, schon ab 60 möglich. Der vorzeitige Abschied aus dem Dienst sei mittlerweile der Normalfall. Da bis 2030 insgesamt 60.000 Landesmitarbeiter in den Ruhestand gehen (von 210.000 Köpfen insgesamt), verschärfe der Vorruhestand die Nachwuchsgewinnung. Vornehmlich nehmen den frühzeitigen Ruhestand Lehrer in Anspruch, mit einigem Abstand dann Finanzbeamte.

Nachlässige Prüfung: Bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Notaren besteht die Verpflichtung, „steuerliche Unzuverlässigkeit“ der jeweilige Kammer zu melden. Dies sei in Einzelfällen erst Jahre später geschehen, die Finanzämter sollten hier aus Sicht des LRH konsequenter vorgehen.

Doppelte Förderung: Verbände der Freien Wohlfahrtspflege sollen teilweise mehrfach gefördert worden sein – weil die Abgrenzung der verschiedenen Förderprogramme schwierig und vieles verschwommen sei. Die Angemessenheit und Notwendigkeit der Unterstützung sei von den Behörden oft nicht richtig geprüft worden.

Mehrarbeit bei der Polizei: Die vorgegebene Regel, für Überstunden und Mehrarbeit bei der Polizei zuerst Freizeitausgleich zu gewähren und keine Vergütung, sei wiederholt durchbrochen worden. Wenn die Beamten mehr als fünf Stunden zusätzlich im Einsatz sind, müssen sie zunächst eine Dienstbefreiung erhalten – und nur aus zwingenden Gründen dürfe davon abgewichen werden.

Mangelhafte Schulverwaltung: Ein 50 Millionen Euro teures Projekt, das eine moderne IT in der Schulverwaltung vorsieht und es endlich möglich machen soll, statistische Daten zur Unterrichtsversorgung und zum Lehrereinsatz in kurzer Zeit zu ermitteln, werde von der Regierung nicht nachdrücklich genug vorangetrieben. 15 alte, langsame und unsichere IT-Verfahren würden so abgelöst. Seit zwei Jahren, klagt der Rechnungshof, ist man mit der Neuerung schon im Verzug. Sie verdiene endlich Priorität.

Altlasten plagen die N-Bank: Die Förderleistung der N-Bank, der staatlichen Förderbank Niedersachsens, verdreifacht sich zwischen 2013 und 2021. Die Bank zählt 446 Mitarbeiter. Der Rechnungshof rügt, beim Verwaltungsaufwand je 1000 Euro Fördervolumen stehe die N-Bank im Ländervergleich der Institute weit hinten. Das soll daran liegen, dass alte Versorgungs- und Pensionslasten von der N-Bank getragen werden müssen.

Fragwürdiger Erschwernisausgleich: Bauern, die Grünland bewirtschaften, erhalten einen Erschwernisausgleich. Trotzdem, so hat der Rechnungshof festgestellt, ist der Anteil des Grünlandes zwischen 1986 und 2016 um 36 Prozent zurückgegangen. Der Rechnungshof mahnt an, dass die Förderung überprüft werden soll. Das Verwaltungsverfahren sei hier viel zu kompliziert.

Falsche Wohnraumförderung: Halten sich die Empfänger von Fördermitteln für das Angebot günstiger Mietwohnungen auch an die Auflagen? Der Rechnungshof hat mehrere Mängel festgestellt. In mehreren Fällen seien die angebotenen Unterkünfte nicht barrierefrei zugänglich, nicht für die Mieter erreichbar oder auch absolut ungeeignet gewesen. Die örtlichen Wohnraumförderstellen, die für die Überwachung zuständig sind, hätten Verstöße „kaum bestimmungsgemäß als Ordnungswidrigkeiten verfolgt“. Die Vorschriften seien nicht einheitlich angewandt worden. (kw)