Auf Bundesebene und in Brüssel kommt in diesen Tagen kräftig Bewegung in die Wolfspolitik. Sowohl Umweltministerin Steffi Lemke als auch Bundesagrarminister Cem Özdemir (beide Grüne) haben sich in den zurückliegenden Tagen für einen erleichterten Abschuss des Raubtiers ausgesprochen. Zumindest dann, wenn Zäune überwunden und Weidetiere gerissen werden, sollte dies geschehen, sagte Özdemir der Deutschen Presse-Agentur.

Ein Wolf im Wald
Die Rückkehr des Wolfes setzt die Politik unter Druck. Jetzt scheint sie zu reagieren. | Foto: GettyImages/AB Photography

Die prinzipielle Offenheit für erleichterte Wolfsabschüsse kommt einer 180-Grad-Wende der Grünen-Politiker nahe und sorgte dafür, dass es für diesen Vorstoß sogar Lob von der FDP gab. Deren Bundestagsabgeordneter Gero Hocker etwa erklärte, dies sei ein überfälliger Schritt. „Wenn nun tatsächlich endlich eine pragmatische Lösung herbeigeführt wird, ist es im Nachhinein egal, wer hier wen hat ‚zum Jagen tragen‘ müssen. Das Leid von mittlerweile tausenden Schafen, Ziegen, Fohlen und Kälbern im ganzen Land hat somit endlich ein Ende. Es scheint, als hätten die jüngsten tragischen Ereignisse in Niedersachsen dazu geführt, dass bei den beiden Grünen endlich ein Umdenken stattgefunden hat.“

Dass eine Gesetzesänderung notwendig sein könnte, um die neue Wolfspolitik umzusetzen, sieht der FDP-Politiker aus Niedersachsen derweil anders. „Bereits der Koalitionsvertrag der Berliner Ampel-Parteien benennt die Notwendigkeit eines Bestandsmanagements. Mit dem Jagdrecht existiert bereits ein hervorragender Rahmen zum Management von Wildtierpopulationen. Was für Rot- und Damwild richtig ist, soll auch endlich für den Wolf gelten.“

Umweltminister arbeiten an neuem Praxisleitfaden

In Berlin arbeitet man unterdessen an einer vereinfachten Abschussmöglichkeit innerhalb des gesetzlichen Rahmens, die also auch ohne vorherige Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes zeitnah Wirkung entfalten könnte. Wie das aussehen könnte, skizzierte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) erst kürzlich im Anschluss an ein Achtaugengespräch, das er in der vorvergangenen Woche gemeinsam mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Bundesministerin Lemke sowie ihrer Staatssekretärin geführt hatte. Das Ziel der nächsten Umweltministerkonferenz im November solle es sein, sich auf einen neuen gemeinsamen Praxisleitfaden zu verständigen, der die Regelungen für eine Ausnahmegenehmigung zum Abschuss des streng geschützten Tieres regeln soll.

In Niedersachsen hofft man darüber hinaus auf ein weiterreichendes Vorgehen, das eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes beinhaltet. Darin sollen dann sämtliche Spielräume, die das EU-Recht bietet, ausgenutzt werden, sagte Umweltminister Meyer kürzlich im Gespräch mit dieser Redaktion.

EU-Kommission erwägt, den Schutzstatus des Wolfes zu ändern

Zu einem Ausschöpfen der vorhandenen Ausnahmeregeln ruft auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) inzwischen explizit auf. In einer Mitteilung ihrer Behörde vom Montag sagte die Niedersächsin: „Die Konzentration von Wolfsrudeln in einigen europäischen Regionen ist zu einer echten Gefahr für Nutztiere und potenziell auch für den Menschen geworden. Ich fordere die lokalen und nationalen Behörden nachdrücklich auf, Maßnahmen zu ergreifen, wo immer es erforderlich ist. Die heute geltenden EU-Regeln sehen solche Befugnisse ausdrücklich vor.“

Die Kommission leitete laut Mitteilung eine „neue Phase im Umgang mit den Herausforderungen im Zusammenhang mit der Rückkehr der Wölfe“ ein. Kommunen, Wissenschaft und alle am Thema Interessierten seien aufgefordert, sich bis zum 22. September 2023 mit aktuellen Daten über die wachsende Wolfspopulation an die Brüsseler Behörde zu wenden. Die erweiterte Datengrundlage soll dann die Basis dafür sein, innerhalb der bereits laufenden Konsultation zu diesem Thema die nächsten Schritte in Gang zu setzen. Dies könnte zur Folge haben, dass der Schutzstatus des Wolfes innerhalb der EU verändert wird, wodurch die Mitgliedstaaten mehr Flexibilität im Umgang mit dem Beutegreifer erlangen könnten.

CDU-MdEP: Besser spät als nie

In der CDU nimmt man diesen Vorstoß mit viel Wohlwollen zur Kenntnis. „Besser spät als nie. Die Kommission macht endlich Druck auf die Mitgliedstaaten. Den ,schwarzen Peter‘ kann man jetzt nicht mehr nach Brüssel schieben“, sagte der Europaabgeordnete Jens Gieseke dem Politikjournal Rundblick. Der Abgeordnete aus dem Emsland hatte sich mit mehreren Initiativen an die Kommission gewandt. Ende vergangenen Jahres hatte das EU-Parlament zudem mehrheitlich mit einer Resolution ein stärkeres Engagement der Kommission gefordert.

„Die Umweltminister in Bund und Land müssen ihre Verweigerungshaltung aufgeben.“

Jens Gieseke (CDU)

Gieseke sieht den Ball nun im Spielfeld von Bund und Ländern: „Die Umweltminister in Bund und Land müssen ihre Verweigerungshaltung aufgeben. Minister Meyer kann sich jetzt nicht mehr wegducken, sondern muss selbst praktikable Lösungen für Niedersachsen schaffen.“ Dass der strenge Schutz des Wolfes infrage und Lockerungen in Aussicht gestellt werden, sei richtig. Das Signal sei eine Aufforderung an die Mitgliedstaaten, den Wolfsbestand zu regulieren.

Giesekes Fraktionskollege David McAllister erklärte, dass es aufgrund der bislang zögerlichen Haltung des Bundesminister wichtig sei, „dass sich die Europäische Kommission nun in die Rufe all jener einreiht, die die Bundesregierung seit Langem auffordern, ihre Ignoranz gegenüber bereits bestehenden Möglichkeiten des Wolfsmanagements endlich abzulegen.“