„Jedes sechste Kind hat Störungen bei der Sprachentwicklung“, sagt Christina Tegtmeier, Fachberaterin für Sprach-Kindergärten beim Caritasverband Hannover. Diese Einrichtungen wurden aus einem Programm des Bundes gefördert, um die Sprachentwicklung zu verbessern – allerdings nur bis Mitte 2023. Von dem Programm profitierten insbesondere Kindergärten, in denen viele Kinder nicht-deutscher Muttersprache betreut werden. Sie konnten eine zusätzliche Kollegin einstellen, die das Team in Bezug auf Sprachförderung coacht. Außerdem wurden sie von einer externen Fachberaterin wie Tegtmeier begleitet.

Wer zwischen vier und sechs Jahren immer noch Sätze verdreht oder einige Laute nicht richtig aussprechen kann, bekommt in einem Sprach-Kindergarten noch einmal eine besondere Förderung. | Foto: GettyImages/kali9

„Die wissenschaftliche Auswertung hat gezeigt, dass das Programm ein Erfolg war. Trotzdem wurde es eingestellt“, kritisiert Tegtmeier. Das Land Niedersachsen ist in die Bresche gesprungen und hat eine eigene Förder-Richtlinie aufgelegt. Die ist jedoch befristet und stellt Anforderungen, die für viele Kindertagesstätten nicht zu erfüllen sind. So darf jetzt nicht mehr ein Logopäde oder eine Sprachheilpädagogin für zusätzliche halbe Stelle eingestellt werden, sondern die Einrichtung muss jemanden vom ohnehin schon knappen pädagogischen Personal dafür abstellen oder neu gewinnen. Manche der externen Fachberater haben angesichts der unsicheren Zukunftsperspektive schon aufgegeben, so dass viele Sprach-Kindertagesstätten jetzt händeringend nach fachlicher Begleitung suchen.

In dieser verfahrenen Situation will die Region Hannover helfen, obwohl Sprachförderung eigentlich keine kommunale Aufgabe ist. „Für uns ist klar, dass wir hier nicht einfach abwarten können, sondern als Region einspringen müssen – auch über unsere Zuständigkeit hinaus“, sagt Regionspräsident Steffen Krach (SPD). 23 Sprach-Kindergärten gab es in der Region, 13 davon sind mit dem Bundesprogramm weggefallen, rechnet die Region vor. Nur zehn sehen sich in der Lage, mit der Ersatzrichtlinie des Landes weiter zu arbeiten. Wie groß die Sprachdefizite sind, ist Krach bewusst geworden, als er persönlich bei den Schuleingangsuntersuchungen hospitiert hat. Als eine der größten Kommunen in Deutschland begutachtet die Region Hannover jedes Jahr rund 12.500 Kinder auf ihre Schulreife hin.

Steffen Krach | Foto: Anne Hufnagl

Die Sprachförderung ist für Krach Teil eines Paketes von Lebenskompetenzen, die er Kindern vermitteln will. Dazu gehört auch die „Schwimmoffensive“ aus dem vergangenen Jahr, bei der rund 5000 Kinder schwimmen gelernt haben. Ein Förderprogramm fürs Radfahren-Lernen wird derzeit entwickelt. Bis 2027 stellt die Region Hannover rund 3,2 Millionen Euro für die Sprachförder-Initiative zur Verfügung. Mit 1,3 Millionen Euro soll der Bestand der verbliebenen zehn Sprach-Kindergärten gesichert und auch weiteren Kindertagesstätten unter die Arme gegriffen werden. Es sollen sechs Vollzeit-Stellen für Sprachförderkräfte entstehen.

„Das ist eine gute Sache“, kommentiert Christina Tegtmeier von der Caritas. „Die Region hat den Bedarf erkannt und reagiert richtig.“ Mit 1,4 Millionen Euro fließt der größte Anteil aus dem Programm in digitale Unterstützung bei der Sprachstands-Feststellung. Dazu sind die Kindertagesstätten spätestens ein Jahr vor der Einschulung verpflichtet, was bisher eine Menge Kapazität der Erzieher bindet. Außerdem sollen Bücher, Spiele und digitale Übersetzer angeschafft und Anreize für Erzieherinnen geschaffen werden, sich als Sprachfachkräfte weiter zu qualifizieren. Damit ist die Region Hannover die einzige Kommune in Niedersachsen mit einem derartigen Förderprogramm.



Beim Niedersächsischen Landkreistag ist kein ähnlicher Vorstoß bekannt. Gerade der Schwerpunkt auf Sprach-Kindergärten wird hier kritisch gesehen. „Wir halten das nicht für das geeignete Instrument“, sagt Sprecher Ulrich Lottmann. In Niedersachsen gibt es rund 4500 Kindergärten, rechnet er vor. Nur etwa 670 davon sind Sprach-Kindertagesstätten und profitieren von der Förderung. „Hier werden Doppelstrukturen aufgebaut“, kommentiert Lottmann: „Sprachförderung ist die Aufgabe aller Einrichtungen.“ Dafür stellt das Land auch einen Fördertopf zur Verfügung, der allerdings seit 2018 nicht mehr aufgestockt wurde. „Es ist nicht notwendig, dass die Kommunen hier mit eigenen Mitteln reingehen“, so Lottmann.

Der Landkreistag will sich lieber für die längst überfällige Erhöhung der Landesmittel stark machen. In diesem Punkt stimmt ihm Christina Tegtmeier von der Caritas zu: „Das Land ist in der Verantwortung, aber sie halten sich zurück.“ Der Kritik an den Sprach-Kindergärten widerspricht sie allerdings: „Es ist richtig, beim Team anzusetzen. Wenn wir die Fachkräfte schulen, können wir sicherstellen, dass sie alle Kinder von Anfang an richtig unterstützen.“ Wegen der hohen Fluktuation in der Branche setzen sich die Teams ständig neu zusammen. Die Sprachförder-Initiative der Region Hannover ist bis 2027 befristet. Natürlich würde sich Tegtmeier eine Verstetigung wünschen. Allerdings hofft sie auch darauf, dass das Land noch einmal einen besseren Aufschlag macht, wenn die Förder-Richtlinie 2025 ausläuft. Denn sie ist überzeugt: „Der Bedarf wird steigen.“