Zum Auftakt einer der letzten regulären Landtagssitzungen vor der Parlaments-Selbstauflösung hat die bisherige Opposition eine schulpolitische Debatte angesetzt – und Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) „totales Versagen“ attestiert. Der FDP-Schulpolitiker Björn Försterling sagte, dass zwei Wochen nach Beginn des neuen Schuljahres in vielen Schulen immer noch keine fertigen Stundenpläne vorlägen. „Der Unterricht findet dort aktuell nicht statt, das ist eine Schande für das Land!“

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Sein CDU-Kollege Kai Seefried setzte den Begriff „ministeriell organisierte Chaostage“ und erwähnte die massiven Bedenken vor allem des Philologenverbandes und von Elternverbänden. „Die Ministerin redet die Situation schön – und niemand hat dafür noch Verständnis.“ Zur Verteidigung der Ministerin traten in der teilweise sehr emotional geführten Debatte vor allem die Grünen-Politiker Heiner Scholing und Julia Hamburg, aber auch Stefan Politze (SPD) auf.

Auch Heiligenstadt selbst trat ans Rednerpult. Sie räumte ein, dass es vor allem an den Grundschulen „eine angespannte Situation“ gebe, dies sei aber bundesweit der Fall. Es fehlten genügend qualifizierte Bewerber, die eine Stelle als Grundschullehrer übernehmen könnten. Hier zeigten sich die Folgen von Kürzungen bei der Lehrerausbildung, die noch auf die schwarz-gelbe Regierungszeit bis 2013 zurückgingen.

171 Gymnasiallehrer wurden bisher an Grundschulen abgeordnet

Seefried, Försterling und FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner meinten, vielerorts werde der Pflichtunterricht nicht mehr erteilt. Das hänge nicht mit dem Flüchtlingszustrom zusammen, denn wenn man diesen herausrechne, bleibe das Problem bestehen. Niedersachsen habe 12.500 Schüler mehr als vom Ministerium vorausberechnet worden sei, es fehlten rund 800 Lehrerstellen.

Dies hätte, betont Försterling, Heiligenstadt schon vergangenen Mai erkennen können und schon damals, frühzeitig, Abordnungen von Lehrern aus anderen Schulzweigen an die Grundschulen regeln können. Stattdessen sei die Entscheidung, dies zu tun, erst in den Sommerferien gefallen – und das habe vor allem bei Gymnasiallehrern großen Ärger ausgelöst.

Der Grünen-Politiker Scholing warf CDU und FDP massive Übertreibung vor. Bisher würden lediglich 171 der insgesamt 16.000 Gymnasiallehrer an Grundschulen abgeordnet, dabei gehe es um nicht einmal 1000 Schulstunden wöchentlich. Landesweit 48 Schulen sind davon betroffen. Dabei seien doch Lehrer-Abordnungen von der einen an die andere Schule völlig normal und schon seit Jahren üblich – oft im größerem Umfang als derzeit. Ganztagsschulunterricht und Inklusion hätten derzeit einen höheren Lehrerbedarf erzeugt, aber das werde sich in einigen Jahren legen, sobald die Pensionierungswelle bei den Lehrern abgeebbt sei.

Heiligenstadt: Befürchtungen aus der Luft gegriffen

Heiligenstadt ergänzte, die Landesschulbehörde werde künftig „in enger Begleitung durch meine Staatssekretärin“ in jedem Einzelfall schauen, ob der abgeordnete Lehrer richtig eingesetzt wird und welchen Ersatz die Schule, die ihn verliert, bekommt. Försterling und Seefried meinten, die aktuellen Versäumnisse seien vor allem Managementfehler des Ministeriums – man habe die Möglichkeiten, Lücken frühzeitig zu füllen, oft nicht erkannt oder nicht entschlossen angepackt. Heiligenstadt entgegnete, manche derzeit dargestellte Befürchtung sei „aus der Luft gegriffen und eine Falschmeldung“, so die Sorge vieler Gymnasialeltern, die Abordnung der Gymnasiallehrer an Grundschulen werde einen Umfang von 10.000 Stunden erreichen.

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CDU und FDP hatten in der Debatte den Wortbeitrag des Grünen-Abgeordneten Gerald Heere auf dem jüngsten Grünen-Landesdelegiertentreffen zitiert. Mit Blick auf das Kultusressort hatte Heere dort erwähnt, ihm gehe manchmal „die Hutschnur hoch“, wenn er von Fehlern aus dem Ministerium höre. Der Grünen-Abgeordnete aus Braunschweig wurde bis Listenplatz 18 durchgereicht, der derzeit für die Grünen bei der Landtagswahl in zwei Monaten als wenig aussichtsreich eingeschätzt wird.