Während die Lehrervertreter mit dem Kultusministerium noch um das generelle Arbeitspensum von Lehrern ringen, haben sie für den Bereich der Inklusion jetzt einen Kompromiss gefunden. Gestern unterzeichneten Kultusministerin Frauke Heiligenstadt und Martin Grajetzky, Vorsitzender des Schulhauptpersonalrats, eine Dienstvereinbarung, die die Sonderpädagogen entlasten soll. Darin ist vor allem geregelt, dass die Förderschullehrer nur noch an zwei allgemeinbildende Schulen abgeordnet werden dürfen und das auch nur einmal innerhalb eines Schuljahres. „Damit wollen wir eine Situation beseitigen, die viele Förderschullehrer als sehr belastend empfunden haben“, sagt die Kultusministerin. Grajetzky zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden: „Ich denke, wir haben einen wichtigen Schritt im Inklusionsprozess gemacht.“ Kai Seefried, schulpolitischer Sprecher der CDU, kritisiert dagegen, die Ministerin habe zu lange damit gewartet, die Arbeitsbedingungen der Sonderpädagogen zu regeln.

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Seit 2013 werden Förderschullehrer und pädagogische Mitarbeiter an allgemeinbildende Schulen abgeordnet, um dort Schüler mit Lernschwäche zu unterrichten. Denn das im Schulgesetz verankerte Konzept „Inklusive Schule“ soll langfristig die Förderschule Lernen ersetzen. Anfangs bekamen nur Schüler aus ersten und fünften Klassen diesen Sonderunterricht, das Angebot sollte über die Schuljahre mitwachsen. Für die abgeordneten Lehrer und pädagogischen Mitarbeiter bedeutete das, dass sie an mehreren Schulen unterrichten mussten, um auf ihre Lehrstundenzahl von 26,5 Unterrichtsstunden zu kommen. Seitdem sind aber jährlich mehr Jahrgangsstufen dazugekommen, in diesem Schuljahr unterrichten die Sonderpädagogen erstmals Kinder und Jugendliche aus der ersten bis zur neunten Klasse. In Zahlen ausgedrückt, bekommen derzeit 22.800 von insgesamt 37.000 Schülern mit Lernschwäche Förderunterricht an ihrer Schule. Die Verteilung auf mehrere Schulen ist damit für die Lehrkräfte immer mehr zum Problem geworden.

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Die Dienstverordnung zieht nun endlich eine obere Grenze. Ein abgeordneter Lehrer darf an maximal zwei allgemeinbildenden Schulen für die Dauer eines Schuljahres Förderunterricht geben, ein Wechsel ist nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. Zudem soll der Lehrer pro Tag nur an einer Schule unterrichten und nicht etwa nachmittags an eine andere Schule fahren müssen. „Damit sollen die Lehrer die Möglichkeit bekommen, das Kollegium und die Schüler besser kennenzulernen und Teil der Schule zu werden“, sagt Grajetzky. Um das zu verfestigen, sollen die Förderschullehrer auch an Konferenzen, Fortbildungen oder Schulfesten teilnehmen können. Ebenfalls als Teil der Arbeitszeit gelten nun Aufgaben außerhalb des Unterrichts wie Beratung, Diagnostik und Therapie. Die Schulleiter müssen jedoch darauf achten, dass die Sonderpädagogen insgesamt nicht mehr arbeiten als ein Lehrer, der nur an einer Schule angestellt ist.

Die neuen Vereinbarungen gelten rückwirkend zum 1. August für rund 4000 Förderschullehrer und die Pädagogischen Mitarbeiter, die sich 1750 Vollzeitstellen teilen sollen. Ministerin Heiligenstadt gibt aber zu, dass die Regelung nur kurzfristig Entlastung bringen wird. „Der Gesamtbedarf an pädagogischen Lehrkräften steigt“, sagt sie. Deshalb seien auch vor kurzem 470 neue Stellen für Sonderpädagogen ausgeschrieben worden. Holger Westphal, Mitglied des Schulhauptpersonalrats und selbst Förderschullehrer, verteidigte den vom Kultusministerium eingeschlagenen Weg. „Wir können uns ein Parallelsystem mit Lernförderschulen nicht mehr leisten“, sagte er.