Die SPD-Landtagsfraktion setzt sich für eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten des Verfassungsschutzes ein. Das Gesetz, dessen Grundlagen unter der früheren rot-grünen Regierungskoalition 2016 beschlossen worden waren, soll erneut reformiert werden. Diesmal ist aber das Ziel, den Aktionsradius des Verfassungsschutzes auszudehnen. „Es gibt Leute, die die Axt an die Grundlagen unserer Demokratie legen wollen. Denen müssen wir entschlossen begegnen – und dazu muss der Verfassungsschutz so aufgestellt werden, dass er diese Aufgabe leisten kann“, sagte der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Grant Hendrik Tonne, nach der Klausurtagung seiner Fraktion in Cuxhaven. „Wir haben bisher einen freundlichen Verfassungsschutz. Das bleibt auch so. Aber er muss auch klar aufgestellt werden“, fügte er hinzu.

SPD-Fraktionschef Grant Hendrik Tonne und sein Parlamentarischer Geschäftsführer Wiard Siebels äußerten sich im Anschluss an die Fraktionsklausur in Cuxhaven. | Foto: Wallbaum

Konkrete Details hat die SPD in ihrer Fraktionsinitiative nicht vorgegeben. Allerdings tauschte sich die Fraktion intern mit dem Präsidenten der Polizeiakademie und dem Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz aus. Erwartet wird nun, dass die Experten von Innenministerin Daniela Behrens (SPD) konkrete Reformvorschläge erarbeiten. Mit Spannung dürfte die Reaktion der Grünen erwartet werden. Sie hatten sich in der rot-grünen Koalition zwischen 2013 und 2017 für eine Bändigung des Verfassungsschutzes und Einschränkung seiner Möglichkeiten stark gemacht.

Damals herrschte noch die Vorstellung vor, diese Behörde richte sich vor allem gegen Linksextremisten. Inzwischen jedoch sind die Gefahren von Islamismus und in jüngster Zeit vor allem von Rechtsextremismus deutlicher hervorgetreten. SPD-Fraktionschef Tonne verzichtete bei der Präsentation des Beschlusses darauf, die Arten des Extremismus näher zu beschreiben. Er richtete sich allerdings gleichzeitig klar gegen wachsende rechtsradikale Tendenzen, wie sie auch in der AfD vorkämen. Gegenwärtig ist die AfD in Niedersachsen als „Verdachtsobjekt“ eingestuft, dies gestattet noch keine Anwendung von nachrichtendienstlichen Mitteln. Eine Hochstufung zum „Beobachtungsobjekt“ könnte dies ändern – allerdings müsste dafür wohl nachgewiesen werden, dass verfassungsfeindliche Elemente in der Partei einen maßgeblichen Einfluss besitzen. Das ist in Niedersachsen offenbar schwerer zu erkennen als in anderen AfD-Landesverbänden.

Die „Milde“ des niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes im Vergleich zu den Vorschriften anderer Bundesländer oder des Bundes drückt sich in mehreren Punkten aus. So bezieht sich die Observierung bisher vor allem auf Gruppen und weniger auf radikalisierte Einzelpersonen. Die Wohnraumüberwachung (etwa mit Richtmikrophonen) ist in Niedersachsen nicht erlaubt. Auch dürfen Verfassungsschützer in Niedersachsen bisher keine Drohnen einsetzen. Vor drei Jahren schlug die CDU vor, dem Verfassungsschutz auch die Online-Durchsuchung von Computern und die Handy-Überwachung zu erlauben. Damals stellte sich die SPD in der Großen Koalition dagegen, Innenminister Boris Pistorius verhinderte, dass die Vorschrift ins Gesetz kam.

Verschärft wurden 2021 allerdings die Voraussetzungen dafür, dass eine observierte Person nach Abschluss dieser Überwachung umfassende Auskunft vom Verfassungsschutz erwarten kann. Dieses Auskunftsrecht ist mittlerweile daran gebunden, dass der Antragsteller ein „besonderes Interesse“ nachweisen muss. Damit soll verhindert werden, dass überwachte Bürger die Behörde mit Anfragen überfluten. Umstritten war 2021 auch die Frage, inwieweit Handy-Nummern, die vom Verfassungsschutz erforscht werden, für längere Zeit gespeichert werden dürfen. Zu diesem Thema gibt es inzwischen bundesweit neue Urteile, im Lichte dieser Rechtsprechung plant das Innenministerium nun offenbar eine Anpassung der Vorschriften.



AfD bleibt im Verfassungsschutzausschuss: Im Landtag gibt es einen Verfassungsschutzausschuss, der die Arbeit der Behörde parlamentarisch begleitet. Dort sitzt seit längerer Zeit auch ein AfD-Abgeordneter als Mitglied drin. An dieser Tatsache dürfte sich vorerst nichts ändern, denn die spiegelbildliche Abbildung der Mehrheitsverhältnisse des Landtags in allen seinen Ausschüssen ist in Niedersachsen mit einer Verfassungsvorschrift festgelegt. Die Verfassung könnte nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden.