Formell gewählt ist sie noch nicht, denn der SPD-Landesparteitag konnte Hanna Naber noch nicht zur neuen Generalsekretärin der Landespartei bestimmen. Das liegt daran, dass wegen der Corona-Krise die Delegierten noch nicht zusammenkommen konnten. Aber die 49-jährige Oldenburgerin ist seit ein paar Wochen kommissarisch im Amt. Im Gespräch mit der Redaktion des Politikjournals Rundblick erläutert sie vor dem virtuellen Landesparteitag am Sonnabend, wie die SPD die kommenden Wahlkämpfe gestalten will.

SPD-Generalsekretärin Hanna Naber – Foto: SPD Nds

Rundblick: Frau Naber, Rot-Grün ist für Sie die Wunschkonstellation für die Zeit nach der Landtagswahl, die voraussichtlich im Spätsommer oder Herbst 2022 sein wird. Das dürfte aber doch dann nicht einfach werden, wenn es nach der Bundestagswahl im September 2021 im Bund Schwarz-Grün geben wird, oder?

Naber: Zunächst einmal kämpfen wir als Sozialdemokraten für ein möglichst gutes Bundestagswahlergebnis. Aber nehmen wir mal an, es käme so, wie Sie in Ihrer Frage unterstellen, dann hinge doch viel von den besonderen Bedingungen ab: Wie wäre die personelle Aufstellung der niedersächsischen Grünen zur Landtagswahl? Und: Wie gehaltvoll wäre eine Koalitionspolitik auf Bundesebene – mit Blick auf Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Umgang mit Geflüchteten beispielsweise. Die Grünen müssen einen Spannungsbogen aushalten, das wird nicht einfach.

Wenn man den eigenen Ansprüchen gerecht werden will, muss man für Klarheit sorgen.

Rundblick: Was meinen Sie?

Naber: Ich nehme ein Beispiel aus unserem Nachbarland Hessen: Im Koalitionsvertrag haben die Grünen dort zugestimmt, dass der Dannenröder Forst zugunsten des Ausbaus der Autobahn 49 gerodet wird, der grüne Verkehrsminister muss den Bau durchsetzen – doch auf Bundesebene sucht die Partei den Schulterschluss mit vielen außerparlamentarischen Gruppen, auch mit solchen, die vor Ort gegen die Abholzung protestieren. Das macht die Politik unglaubwürdig und fördert Politikverdrossenheit. Wenn man den eigenen Ansprüchen gerecht werden will, muss man für Klarheit sorgen.

Rundblick: Das ist ein Problem. Ein anderes dürfte sein, dass die Grünen beflügelt durch ihre Stimmenzuwächse bei verschiedenen Wahlen weitaus selbstbewusster auftreten als bisher. Rot-grüne Koalitionsgespräche auf Landesebene, sofern sie denn rechnerisch überhaupt eine Basis haben, könnten schwieriger werden. Muss die SPD sich vielleicht stärker bemühen, um gegen den grünen Trend anzugehen?

Naber: Dass die Parteien heute gut beraten sind, nicht zu viel Saturiertheit und Arroganz zu zeigen, liegt auf der Hand. Diese Erscheinungen findet man bei vielen, auch bei den Grünen. Gegenwärtig ist es so, dass das Wahlverhalten der Menschen immer bunter wird – das erhöht die Herausforderungen an die Wahlkämpfer. Viele Bürger treten so auf, dass sie ihr Verhalten gegenüber einer Partei an ein einziges Thema koppeln. Wird dieses eine Thema nicht zu 100 Prozent so umgesetzt, wie sie es sich vorstellen, drohen sie, diese Partei nicht mehr zu wählen. Noch in den achtziger und neunziger Jahren wäre ein anderes Verhalten typisch gewesen – trotz Differenzen in einem Punkt hätten die meisten Wähler gesagt, dass sie unterm Strich die oder die Partei wählen. Das ist eine Herausforderung, mit der wir umgehen müssen.

So sinnvoll die Einschränkungen sind, die wir derzeit hinnehmen – wir müssen aufpassen, dass wir alle nicht in eine Corona-Lethargie verfallen.

Rundblick: Dann müssen Sie mit den Leuten umso mehr diskutieren…

Naber: Ja, aber damit geraten wir derzeit leider an Grenzen. Als ich im Landtagswahlkampf war, waren ein Schwerpunkt die Hausbesuche – und auch die Infostände. In dieser Zeit jedoch macht uns Corona einen Strich durch die Rechnung. Wer möchte gegenwärtig, dass ein Politiker an seiner Haustür klingelt? Momentan werden viele Kontakte auf digitale Formate reduziert, und das muss auch so sein, auch in der Parteiarbeit. Auf unserem Landesparteitag am Sonnabend in Hannover beraten wir unseren Leitantrag über Video-Schalten mit den Delegierten. Wir müssen nur auch merken, wo die Grenzen dieser neuen Verfahren sind. Wenn wir diskutieren wollen, und die SPD ist eine sehr diskussionsfreudige Partei, dann müssen wir uns ins Gesicht gucken, die Mimik und Gestik erleben können. So sinnvoll die Einschränkungen sind, die wir derzeit hinnehmen – wir müssen aufpassen, dass wir alle nicht in eine Corona-Lethargie verfallen. Ich bin fest entschlossen und motiviert, neue Formate zu entwickeln, mit denen wir unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen einen spannenden Wahlkampf machen und die Menschen von uns überzeugen können.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Rundblick: Als Generalsekretärin müssen sie vermutlich über das Land reisen und in den Unterbezirken und Ortsvereinen die Rolle der Einpeitscherin übernehmen. Liegt Ihnen das überhaupt?

Naber: Das Wort „Einpeitscherin“ hört sich so brachial an – das bin ich nicht. Meine Aufgabe wird sein, die Leute auf den Parteiversammlungen mitzunehmen – das wird mir auch gelingen. Und ja: Ich habe eine größere Freiheit als der Ministerpräsident und Landesvorsitzende Stephan Weil, meine Meinung zu Haltungen des Koalitionspartners zu äußern. Aber es liegt mir nicht, das unsachlich zu tun und draufzuhauen, lieber stelle ich unsere eigenen Stärken und Besonderheiten heraus.

Rundblick: Wird schon der Kommunalwahlkampf sehr stark auf Stephan Weil zugeschnitten sein?

Naber: Kommunalwahlen werden vor Ort gewonnen und die SPD wird überall im Land starke Kandidaten aufstellen. Im Wahlkampf werden wir aber auch auf unseren populären Ministerpräsidenten setzen, das ist klar. Stephan Weil ist überall in Niedersachsen bekannt und beliebt, er ist unser Zugpferd. Seine Bürgergespräche, die er auch außerhalb von Wahlkämpfen anbietet, werden von den Menschen gut geheißen. Wir müssen es zudem schaffen, die Themen zu fokussieren, die in der jeweiligen Kommune relevant sind. In einem Flächenland wie Niedersachsen gibt es zahlreiche unterschiedliche Herausforderungen, auf die wir als SPD eine Antwort anbieten werden.

Rundblick: Haben Sie Probleme, ausreichend qualifizierte Bewerber für die Kommunalwahlen zu finden?

Naber: Wir haben bisher keine Hinweise erhalten und sind optimistisch, dass wir starke Teams für unsere Kommunen aufstellen können.

Wir dürfen in der Krise nicht sparen, wir müssen investieren – und wir müssen über eine neue Vermögensverteilung nachdenken.

Rundblick: Ein Thema der kommenden Wahlkämpfe dürfte die Haushaltspolitik bieten: Wie können wir bei den Ausgaben so bescheiden sein, dass die wegen der Pandemie ausufernde Staatsverschuldung möglichst wenig die nächsten Generationen belasten?

Naber: Wir dürfen dabei nicht nur auf die Ausgaben schauen. Es geht um Verteilungsgerechtigkeit und darum, Menschen mit höherem Einkommen auch stärker heranzuziehen. Dabei geht es um Stellschrauben wie die Vermögensteuer, die Transaktionssteuer und die Digitalsteuer, um ein paar mögliche Beispiele zu nennen. Das dürfte aber in erster Linie ein Thema für den Bundestagswahlkampf werden. Wir dürfen in der Krise nicht sparen, wir müssen investieren – und wir müssen über eine neue Vermögensverteilung nachdenken.