„Einen schönen guten Tag zusammen“, begrüßt Lehrer Stefan Seggebruch vier Schüler, die allerdings gar nicht im Klassenraum der Berufsbildenden Schule 14 der Region Hannover sitzen. Dort sind Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sowie weitere Gäste und beobachten das virtuelle Klassenzimmer. Weil, Hannovers ehemaliger Oberbürgermeister, ist zum ersten Mal in der BBS 14. „Ich denke immer, dass ich in Hannover schon alles gesehen habe – ist aber gar nicht so“, sagt er zur Begrüßung. Im virtuellen Klassenzimmer lernen Jean-Claude aus Magdeburg, Matthias aus der Nähe von Erfurt, Lukas aus Völksen und Charlotte aus Mühlhausen in Thüringen. Die Schüler sind schwerstbehindert. Lukas zum Beispiel kann nicht sprechen. Er gibt das, was er sagen möchte, in sein Handy ein. Das wandelt dann seine Worte in eine Sprachnachricht um.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil mit BBS 14-Lehrer Stefan Seggebruch im virtuellen Klassenzimmer – Foto: MB.

Im virtuellen Klassenzimmer geht es heute um eine Präsentation zum Thema Konjunktur. Lehrer und Schüler können sich hören, aber nicht sehen. Die Namen der Schüler stehen auf einem Bildschirm. Für eine Videokonferenz reiche die Internetverbindung nicht, berichtet Seggebruch. Das liege in diesem Fall gar nicht an der Berufsschule. „Wir sitzen normalerweise im Annastift in Hannover und haben da seit einem Jahr eine sehr gute Internetverbindung. Die haben die Schüler allerdings nicht. Wir haben das einmal mit einer Videokonferenz probiert, das ist aber in die Hose gegangen.“

Das zeige die Bedeutung der flächendeckenden schnellen Internets, sagt Weil danach im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. „Regionen, die kein leistungsfähiges Datennetz haben, werden ganz große Schwierigkeiten bekommen. Wir sind zwar ein großes Flächenland, aber wir müssen den Anspruch haben, dass in allen Landesteilen ein solches leistungsfähiges Datennetz zur Verfügung steht“, so Weil. Das sei auch für die Berufsschulen nötig. „Die Schüler werden nach und nach in ihren Ausbildungsunternehmen immer stärker mit der Digitalisierung konfrontiert. Es versteht sich von selbst, dass gerade die Azubis von Anfang an damit aufwachsen und mit dieser Technik umgehen können müssen.“ Auch Schuldirektorin Christiane Fischer hält die Internetversorgung für einen zentralen Zukunftsfaktor. „Das brauchen wir nicht nur in Berufsschulen, sondern überall. Die Anforderungen werden immer höher.“

Schüler zeigen Weil den Messestand der BBS 14 – Foto: MB.

An diesem Tag in der BBS 14 hat Weil zwar nicht das schnelle Internet mitgebracht, aber ein anderes kleines Präsent. Die kleinen Lerngruppen passen in den Klassenbildungserlass nicht hinein, erklärt Schulleiterin Christiane Fischer dem Ministerpräsidenten. Vier Schüler sitzen gerade im virtuellen Klassenzimmer, Unterricht mit sechs bis acht Schülern ist möglich. So eine virtuelle Klasse mit Schwerstbehinderten gibt es neben der BBS 14 bundesweit nur noch einmal in Baden-Württemberg. Bis zu acht Schüler in einer Klasse – in der bisherigen Vorstellungswelt der Bildungsbürokratie sind das zu wenig. Das Problem mit dem Klassenbildungserlass bedeutet übersetzt: Ist die Klasse zu klein, gibt es kein Geld für das nötige Personal.

„Das hat mir ein Vögelchen gezwitschert“, sagt Weil und berichtet, dass das Kultusministerium die kleine Spezialklasse in Zukunft anerkennen werde. Applaus im Klassenzimmer. Weil freut sich auch persönlich, dass er die gute Nachricht überbringen konnte. Denn das virtuelle Klassenzimmer war für ihn das beeindruckendste Beispiel in der BBS 14. „Das hat sich mir erst gar nicht erschlossen, dass es um schwerstbehinderte Schüler geht, weil man sie ja nicht sehen konnte“, meint Weil. Nachdem man das Beispiel nun aber gesehen habe, sei die Unterstützung mehr als gerechtfertigt. „Das ist nun wirklich ein Beitrag zur Inklusion.“

https://soundcloud.com/user-385595761/weil-zukunft-der-berufsschulen-wird-wichtige-rolle-spielen

Vorher hat sich Weil in der Berufsschule noch den Raum für das Schülercoaching angesehen. Dabei werden Schüler in Einzelgesprächen gezielt beraten, wie sie zum Beispiel persönliche Ziele besser erreichen können oder wie das Klassenklima verbessert werden kann. Lehrerin Laura Wegener erklärt, dabei solle über Fragetechniken der Weg gefunden werden, das eigene Ziel zu erreichen. „Was sind das für Ziele?“ fragt Weil. „Ich will am Ende des Schuljahres in allen Fächern eine Note besser sein? Ich will die Wahl gewinnen?“ Damit hat Weil die Lacher auf seiner Seite. Es ist der einzige Moment während seines Besuchs in der Berufsschule, in dem man kurz an den Landtagswahlkampf erinnert wird.

Die Situation an den Berufsschulen wird auch nach der Wahl am 15. Oktober eine zentrale Rolle spielen. Davon ist auch Weil überzeugt. „Die Situation ist im ganzen Land sehr unterschiedlich. Wir werden in der nächsten Legislaturperiode mit allen Beteiligten in Ruhe darüber sprechen müssen, wie man sich auf regionaler Ebene möglicherweise besser miteinander abstimmt und damit auch wieder zu größeren Lerngruppen kommt“, sagt Weil. Der Berufsschulunterricht müsse überall erreichbar bleiben. Das könne man allerdings nicht vom grünen Tisch in Hannover aus entscheiden, sondern brauche eine regionale Abstimmung. (MB.)