Alle freuen sich auf den Feiertag an diesem Mittwoch – denn die Wetteraussichten sind gut, der Frühling kommt unwiderruflich, die Sonne wird wohl auch scheinen. Wie immer, wenn gesetzlich arbeitsfreie Tage anstehen, droht leider der Sinn dahinter verloren zu gehen. Wer ins Grüne fährt, dem sei es gegönnt. Trotzdem sollte er den Anlass irgendwie würdigen. Vielleicht mit einer kleinen Diskussion im Familienkreis über die Arbeitnehmerrechte? Oder mit dem Besuch einer Veranstaltung? Die zahlreichen Kundgebungen des DGB, die überall im Lande stattfinden, sind sicher einen kleinen Ausflug wert. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was dort erzählt wird und auch nicht mit der Art, wie es vorgetragen wird. Eines aber dürfte unstrittig sein: Die gesellschaftlichen Veränderungen der Arbeit, die uns in den nächsten Jahren bevorstehen, sind derart überwältigend, dass eine starke Vertretung der Beschäftigten geschaffen werden müsste, wenn es sie nicht schon gäbe.

Junge Gewerkschafter demonstrieren mit roten Fahnen. In der Mitte ein älterer Mann in roter Jacke.
Maikundgebung 2023: IGBCE-Chef Michael Vassiliadis zwischen Gegenwart und Geschichte |  Foto: DGB/Lutz Bock


Ein paar Beispiele: Das Spektrum an Aufgaben, das Arbeitnehmer zu erledigen haben, wächst in ganz vielen Branchen. Gleichzeitig fehlen Fachkräfte. Diejenigen, die Enormes leisten, müssen oft heute schon die Arbeit derer miterledigen, deren Stellen nicht oder nicht mit genügend ausgebildeten Kollegen besetzt sind. Das erhöht den Druck und stellt immer höhere Anforderungen an die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber. Wenn von „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ die Rede ist, dann klingt das immer sehr schön. Aber was ist, wenn der Kindergarten seine Betreuungszeiten wegen Fachkräftemangels kürzen muss? Was ist, wenn Kinderbetreuung auch deshalb schwieriger wird, weil die Kinder immer mehr Zuwendung verlangen? Wenn aber die Arbeitnehmer heute viel stärker als früher im Beruf gefordert sind, wie sollen sie es dann schaffen, gleichzeitig den Kindern ihre volle Aufmerksamkeit zu geben?

Was ist mit den Maschinen und mit der Künstlichen Intelligenz, die Scharen von Arbeitnehmern in ihren gewohnten Tätigkeiten bedrohen? Was wird mit den Massen an Beschäftigten in der Automobilindustrie, die bei der Umstellung auf E-Mobilität in ihrer Existenz bedroht werden? Wie begegnet man den Befürchtungen, die diese Menschen haben? Was ist mit den verbindlichen Arbeitszeiten, wenn der Markt nach mehr Flexibilität und schnellerer Lieferung auch an Wochenenden oder nachts verlangt? Wie kann Home-Office funktionieren, wenn die einen sich dort voll reinhängen, die anderen aber das als Chance nutzen, plötzlich nicht mehr erreichbar sein zu müssen?

Minister und Gewerkschaftler posieren Seite an Seite am Rande der Haushaltsberatungen in Hannover. | Foto: Wallbaum


Das sind so viele Themen, für die es Regelwerke braucht. Gott sei Dank haben wir in Deutschland starke Gewerkschaften, die bei all diesen Fragen darauf achten, dass die Rechte der Beschäftigten nicht hinten runterfallen. Glücklicherweise haben wir auch ein starkes Gegenüber, die Arbeitgebervertreter, die bei allen nötigen Schutzvorkehrungen auf die Wirtschaftlichkeit achten müssen. Denn das beste Regelwerk bringt nichts, wenn es am Ende unbezahlbar wird und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährdet. Umgekehrt schadet sich jede Firma selbst, die nicht peinlich genau darauf achtet, dass ihre Beschäftigten gesund und motiviert bleiben.

Kurzum: Wenn mit Blick auf den 1. Mai von „Kampftag der Arbeiterklasse“ die Rede ist, dann ist das heutzutage irreführend. Die Stärke der Gewerkschaften liegt zum einen in ihrer Besonnenheit, zum anderen in ihren guten Kontakten zu den Vertretern der Wirtschaft. Die „Sozialpartnerschaft“ ist das Erfolgsgeheimnis der sozialen Demokratie in Deutschland. Es ist neben der parlamentarischen Demokratie die zweite Säule, das enge Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Das drückt sich nicht nur aus in Tarifverträgen, sondern auch in der Organisation der Kranken- und Rentenversicherung. Es geht also, anders als der Begriff „Arbeiterkampftag“ es nahelegt, nicht um Feindschaft, sondern im Gegenteil um Partnerschaft. Konfliktfrei muss das nicht sein, es muss nur am Ende die Verständigung als Ziel haben.
 
Im heutigen Rundblick gehen wir auf den „Tag der Arbeit“ nicht weiter ein. Unsere Themen sind diese:
 
Investitionsgesellschaft: Wird das Land seine Verwaltungsgebäude an eine eigenständige Tochtergesellschaft übertragen, die dann dafür Kredite aufnehmen soll? Die Überlegungen dazu sind in der Regierung noch nicht abgeschlossen, teilt das Finanzministerium mit.
 
Daten zum Öko-Landbau: Nach einer Antwort des Agrarministeriums auf eine CDU-Anfrage kann erwartet werden, dass die Regierung künftig mit Daten für die Antragstellung zum Öko-Landbau nicht mehr so offen umgeht wie bisher.
 
Bundeswehr-Übung: Was passiert im Ernstfall? Die Bundeswehr informiert über ihre Pläne zum Einsatz der Heimatschutz-Kompanie. Christian Wilhelm Link war dabei.
 
Ich wünsche Ihnen einen schönen Dienstag und für morgen einen sonnigen 1. Mai,
 
Klaus Wallbaum