Nun ist Heiger Scholz also derjenige, auf den es in den nächsten Wochen in erster Linie ankommt in der Landespolitik. Der 62-Jährige kann mit Fug und Recht „der Krisenmanager“ genannt werden. Denn Scholz, im Hauptberuf Staatssekretär im Sozialministerium, leitet künftig den Krisenstab, der sich aus Vertretern mehrerer Ministerien zusammensetzt und die Corona-Krise in Niedersachsen bewältigen muss.

Heiger Scholz leitet den Krisenstab zum Corona-Virus – Foto: NIR; jarun011

Will man ihn mit wenigen Attributen beschreiben, so wären das diese: stattliche Erscheinung, stets korrekte Kleidung (Anzug, Krawatte und Weste), betont höfliche Umgangsformen und die Neigung, in der manchmal bierernsten Politik mit einem lockeren Spruch Verkrampfungen auflösen zu können. Nicht Innenminister Boris Pistorius ist der Leiter der neuen Stabstelle, auch nicht Sozialministerin Carola Reimann – es ist Scholz.


Lesen Sie auch:

Exklusiv: Lagezentrum im Innenministerium soll Corona-Koordination übernehmen

Wirtschaft lobt Corona-Hilfe der Bundesregierung


Der Jurist aus der Region Hannover ist fest verwurzelt in der SPD, sein ganzes Leben lang war der berufliche Weg des gebürtigen Westfalen mit seiner Partei verknüpft. Er studierte in Göttingen Jura, wurde nach dem zweiten Staatsexamen 1987 Geschäftsführer der SPD-Kreistagsfraktion im Landkreis Hannover, wechselte drei Jahre später als Stadtrat in die Verwaltung der Stadt Seelze und stieg dort 1995 dann zum Stadtdirektor auf. 2006 ging Scholz als Hauptgeschäftsführer zum Niedersächsischen Städtetag, und er blieb in diesem Amt elf Jahre lang bis 2017.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Als die Große Koalition gebildet wurde, bot sich für ihn die Chance, Staatssekretär zu werden – im Sozialministerium und nicht, wie es wohl näher gelegen hätte, im Innenministerium. Damals war Scholz 60, und manche hatten schon vier Jahre zuvor mit ihm als Staatssekretär gerechnet – aber 2013 war der Ruf nicht ergangen, und das hatte, wie man hört, regionalpolitische Gründe: Die SPD brauchte damals mehr Braunschweiger im Kreis der Staatssekretäre, keine Hannoveraner wie Scholz. Dabei zählte Scholz schon damals zu den klügsten und erfahrensten Juristen in der niedersächsischen Verwaltung. Aber er wurde nicht berücksichtigt und blieb beim Städtetag.

Scholz pflegt gute Kontakte über Parteigrenzen hinweg

Auch wenn der Beamte, der zuweilen etwas schnell spricht, durch und durch SPD-Mann ist, zeigt er doch einen ausgeprägten Hang zum Pragmatismus. Die Zeit als Stadtrat, Stadtdirektor und Städtetags-Geschäftsführer hat ihn insoweit geprägt, dass er vernünftige Lösungen für die Probleme anpeilt – und dabei ideologische Haltungen zwar ernst nimmt und sich damit auch auseinandersetzt, diese aber nachrangig gewichtet. Scholz pflegt gute Kontakte über Parteigrenzen hinweg, zu Wissenschaftlern, Kommunalexperten und Kennern der Verwaltung. Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, CDU-Mann Hubert Meyer, zählt zu seinen engen Weggefährten.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Dies ist auch die Stärke für seine neue Position: Wenn der Krisenstab durchgreifen muss, das Verbot von Bus- und Bahnverkehr anweisen sollte, die Schließung von Großveranstaltungen verfügen oder irgendwann auch den Handel per Verfügung einschränken müsste, ist Scholz immer auf die enge Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Kommunalvertretern angewiesen – und die kennen ihn alle, die meisten schätzen ihn für seinen Sachverstand und seine Verlässlichkeit. Das ist eine Vertrauensbasis, die für den Erfolg der Aufgabe entscheidend sein kann. Unter der Leitung von Scholz werden Polizei, Katastrophenschutz, Gesundheitsbehörden, Feuerwehren und Kommunalvertreter zusammenwirken. Jede Teilbehörde bleibt für ihren Bereich weiter zuständig – aber Scholz ist der, bei dem alle Fäden zusammenlaufen und der notfalls einen Plan durchsetzen muss, wenn es Widerstände gibt.

Maßgebend sind die Ratschläge von Gesundheitsexperten

Welche Aufregung mit diesem Wirken verbunden sein kann, zeigte sich bereits am gestrigen Donnerstag. Der Krisenstab einigte sich auf Schulschließungen von der kommenden Woche an, die Nachricht sickerte durch und der Dienstweg in der Landesregierung war noch nicht bis zum Ende durchschritten, während die Nachricht sich schon wie ein Lauffeuer verbreitete. Als wären die Menschen angesichts der Corona-Krise nicht schon aufgewühlt genug, lösen alle behördlichen Entscheidungen, die mit Sperrungen, Verboten und strengen Regulierungen zu tun haben, eine riesige emotionale Welle aus. Dabei kann man dem Verdacht, die Regierung wolle sich mit behördlichen Einschränkungen profilieren und ihre Handlungsfähigkeit beweisen, getrost zurückweisen. Maßgebend sind die Ratschläge von Gesundheitsexperten, mit dem sehr frühen Unterbinden von großen Menschenansammlungen eine zu rasche Ausbreitung des Virus in Deutschland – so wie es in Italien geschehen ist – zu verhindern.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Der neue Krisenmanager Scholz hat noch zwei Eigenschaften, die ihn unverdächtig machen, an der Spitze des Stabes womöglich leichtsinnige oder fragwürdige Entscheidungen zu treffen. Zum einen hält sich seine Eitelkeit sehr in Grenzen, er hat es in vielen Jahren gelernt, hinter anderen Akteuren – sei es Verbandspräsidenten oder Minister – zurückzustehen. Zum anderen ist Scholz zwar Teil des Politikgeschäfts, aber den 62-Jährigen treibt kein Ehrgeiz an, auf der Karriereleiter hoch zu steigen. Er will seine Aufgabe gewissenhaft erfüllen und dabei alle wichtigen Aspekte im Blick behalten. Geerdet genug ist er dafür. (kw)