Die Corona-Krise ist wie eine Naturgewalt, die ruckartig die sorgsam ausgetüftelten Pläne mit Macht beiseiteschiebt – auch in der niedersächsischen Landespolitik. In den Parteien standen mehrere wichtige Personalentscheidungen bevor, manche hätten schon in diesem Frühjahr fallen sollen. Aber weil wegen der Ansteckungsgefahr des Virus ein Versammlungsverbot herrscht, müssen auch diese Termine vertagt werden. Neue Termine sind allenfalls intern verabredet, aber noch nicht beschlossen. Denn niemand weiß derzeit so genau, wie schnell das gesellschaftliche Leben wieder in Gang kommen kann und wie rasch es den Parteien wieder gestattet wird, zu größeren Veranstaltungen einzuladen.

Fotos: MB/kw

Das trifft die verschiedenen Gruppierungen nun unterschiedlich hart. Die niedersächsische SPD beispielsweise hatte vor, am 18. April den Landesvorstand neu zu wählen. Die Bestätigung von Ministerpräsident Stephan Weil als Vorsitzendem stand außer Frage, aber in seinem Umfeld soll es einige Veränderungen geben, auch eine neue Generalsekretärin soll antreten. Parteiintern war das als Startzeichen für den Kommunalwahlkampf geplant. Jetzt beginnt eigentlich die Phase, in der Ortsvereine und Unterbezirke gezielt auf die Suche gehen nach neuen Kandidaten für die Kommunalvertretungen und die Bürgermeisterposten, die Wahl ist dann im Spätsommer 2021. Eine frühzeitige Vorbereitung ist eigentlich erforderlich. Aus das verschiebt sich jetzt. Der 24. Oktober werde als neuer Parteitagstermin angepeilt, heißt es – vermutlich in Lüneburg, wie es schon für den 18. April geplant war.

FDP bleibt vielleicht Debatte zum Thüringen-Debakel erspart

Die FDP steht vor einem ähnlichen Problem. Auch hier sollte am 18. April ein neuer Landesvorstand gewählt werden, an der Wiederwahl von Stefan Birkner gab es keine Zweifel, auch wenn sein Resultat 2018 mager geblieben war. Beim Landesparteitag hätte vermutlich eine Strategiedebatte der Gesamtpartei aufbrechen können, zumal es nach dem Thüringen-Debakel im Februar massive Kritik (auch aus Niedersachsen) an Parteichef Christian Lindner gegeben hatte. Es ist sehr fraglich, ob Thüringen noch ein Thema sein wird, wenn der Landesparteitag im Herbst nachgeholt wird. Vielleicht ist dann sogar das derzeitige Verhalten der FDP in der Corona-Krise kein Thema mehr, also die Frage, ob man zu sehr auf die Interessen der Wirtschaft und zu wenig auf die der Gesundheitsversorgung setze.


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Auch in der CDU hätte in diesem Frühjahr eine spannende Entscheidung angestanden – nicht auf Niedersachsen-Ebene, aber im Landesverband Braunschweig, zumal der Vorsitzende Frank Oesterhelweg, ein bekennender Friedrich-Merz-Anhänger, seinen Rückzug angekündigt, davon später aber wieder abgerückt war. Das erzwungene Vertagen des Parteitags gibt Oesterhelweg zunächst eine Verschnaufpause, schafft seinen Kritikern aber andererseits auch die Chance, sich zu formieren. Eine Kampfabstimmung scheint nicht ausgeschlossen zu sein, wenn bis Jahresende der Parteitag nachgeholt wird.

Wenig Spannung bei CDU und Grünen, umso mehr bei der AfD

Was die Niedersachsen-CDU angeht, ist die Vorstandsneuwahl erst für den 6. und 7. November in Lingen vorgesehen. Bisher steht der Termin, da alle damit rechnen, dass dann auf jeden Fall politische Versammlungen wieder stattfinden werden. Landeschef Bernd Althusmann steht zur Wiederwahl an, ein Herausforderer zeichnet sich nicht ab. Das gilt auch für das Grünen-Duo Anne Kura und Hans-Joachim Janßen, die Amtszeit der beiden endet ebenfalls im Herbst, große Umwälzungen deuten sich auch bei den Grünen nicht an.

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In einer anderen Partei indes ist eine größere Weichenstellung zu erwarten. Die bisherige AfD-Landesvorsitzende Dana Guth tritt zur Wiederwahl an, sie wird herausgefordert mindestens vom Northeimer Bundestagsabgeordneten Jens Kestner, womöglich aber noch von weiteren Kandidaten. Eigentlich sollte der Parteitag im Mai sein, nun ist er auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Satzung sieht vor (wie es im Übrigen auch für andere Parteien ähnlich gilt), dass bis Ende des Jahres der Vorstand neu gewählt werden muss.

Wie es heißt, ist Guth in den vergangenen Wochen (vor dem Corona-Ausbruch) viel umhergereist und hat ihre Ausgangsposition verbessert. Das besondere Problem der AfD ist, dass sie ihre Parteitage als Landesmitgliedertreffen abhält, es können also theoretisch alle 3000 Mitglieder des Landesverbandes dazu anreisen. Bei einem Delegiertenprinzip wäre eine Obergrenze der Teilnehmer möglich. Sollten nach der Kontaktsperre weitere Beschränkungen für Großveranstaltungen gelten, also Auflagen für Mindestabstände zwischen den Teilnehmern, so wäre ein Parteitag nach den geltenden AfD-Satzungsregeln nur schwer umsetzbar, weil die Mitgliederzahl dazu nicht kalkuliert werden kann. Das bringt die AfD nun in ein besonderes Dilemma.