Was nimmt man mit von einem Auslandseinsatz? Polizeikommissarin Katrin Pfeiffer (35) aus Hannover, die zu längeren Diensten in Afghanistan und später im Südsudan abgeordnet war, muss nicht lange überlegen. „Das sind Gelassenheit und Geduld“, sagt sie, denn die Probleme in Deutschland seien nicht annähernd so groß wie die in den Krisenregionen der Erde, in Afrika oder im Nahen Osten. Außerdem komme die „interkulturelle Kompetenz“ hinzu, die Fähigkeit, sich in das Denken fremder Menschen hineinzuversetzen, ihre Lebensumstände zu würdigen.

Katrin Pfeiffer berichtete gestern im Innenministerium über ihre Arbeit. Mit dabei waren ihr Kollege Christian Kern (39) vom Landeskriminalamt, der je ein Jahr in Kabul und in Mali eingesetzt war, und der leitende Polizeidirektor Henning Dreyer, der die Auslandseinsätze im Innenministerium koordiniert. Sie alle werben dafür, dass künftig noch mehr niedersächsische Polizisten fern der Heimat Dienste leisten sollen, und Innenminister Boris Pistorius unterstützt den Plan nachdrücklich: „Wenn wir helfen, die politische Situation in schwierigen Staaten zu stabilisieren, dann ist das eine wichtige Form der Bekämpfung von Fluchtursachen. So etwas muss gefördert werden.“ Dies könne aber nur bei einer angemessenen Mitfinanzierung des Bundes geschehen. Bisher trägt der Bund lediglich die durch den Auslandsauftrag bedingten Mehrkosten – das ist aus Sicht des niedersächsischen Innenministers aber zu wenig.

Seit 1994 beteiligt sich Niedersachsen an internationalen Polizeimissionen, seither sind 545 Beamte in 19 Länder geschickt worden, 93 Prozent davon waren Männer. Aktuell versehen acht Polizisten fern der Heimat ihren Dienst, und zwar im Kosovo, im Sudan, in Mali und in Somalia. Als Teil des Frontex-Einsatzes zur EU-Grenzsicherung sind einige noch in Griechenland, Italien und Bulgarien aktiv. Gerade was die Frontex-Arbeit angeht, ist die Nachfrage enorm – rund 200 Polizisten haben sich dafür beworben. „Das sind erfreulich viele“, meint Polizeidirektor Dreyer. Drei Beamte stehen vor der Ausreise nach Haiti, nach Afghanistan und in den Kosovo, vier starten bald zu ihrer Frontex-Mission. Während die Frontex-Dienste nur etwa acht Wochen dauern, sind die klassischen Missionen in Krisenländer auf ein halbes oder ein ganzes Jahr angelegt.

So wie beispielsweise in Mali. Dort ist seit 13 Monaten der leitende Polizeibeamte Klaus-Dieter Tietz aktiv, einer von den erfahrenen Spezialisten, die früher im Kosovo und im Südsudan eingesetzt waren, dort auch hohe Verantwortung trugen. Tietz kennt sich aus mit der Terrorismusbekämpfung, mit organisierter Kriminalität und mit der Forensik, er kennt die Kniffe und Wege, mit denen man Verbrechern auf die Schliche kommen kann. Zu dem Termin mit Innenminister Pistorius wurde Tietz gestern per Video-Übertragung aus Malis Hauptstadt zugeschaltet, und er berichtete über die Lage in dem westafrikanischen Land. Die Migrationsströme ziehen durch Mali nach Norden, viele wollen nach Libyen und dann weiter nach Europa. Banden handeln hier mit Waffen und Drogen, außerdem sind Schlepper aktiv, die den Menschen eine glückliche Zukunft jenseits der Heimat versprechen. Gleichzeitig sind islamistische Terrorgruppen auf der Suche nach Anhängern. Tietz arbeitet mit 13 anderen deutschen Polizisten in Mali, seine Aufgabe ist es, den Polizisten in dem Land Hilfen zu geben. Die UN, die ihn nach sorgfältiger Prüfung entsandt haben, stellen Teams zusammen, in denen Helfer aus vielen Nationen zusammenwirken – auch deshalb, damit keinesfalls das Gefühl einer Fremdbestimmung durch Europäer entstehen kann. Gemeinsam mit dem Niedersachsen sind so viele Tunesier, Leute aus Kamerun und Nigeria dabei, den Polizisten in Mali ihre Kenntnisse zu vermitteln und über Terrorgefahren aufzuklären.

Dabei sind die Mängel schon offensichtlich. Die Korruption blüht in vielen afrikanischen Ländern, „Terroristen nutzen die Wege der organisierten Kriminalität“, berichtet Tietz. Sie arbeiten mit Entführungen, Lösegeld-Erpressungen und mit Schmiergeld. Die Möglichkeiten der Polizei, darauf angemessen zu reagieren, sind ungleich schlechter als hierzulande. Das fängt bei der fehlenden Datenbank für Verdächtige an und hört damit auf, dass es ein vernünftiges System zur Registrierung und zum Abgleich von Fingerabdrücken nicht gibt. Zur Telefonüberwachung ist in Mali bisher nur der Geheimdienst berechtigt, nicht aber die Polizei.

Tietz und seine Kollegen sollen Verständnis wecken dafür, dass die Polizei im Kampf gegen die Banden besser aufgestellt werden muss. Dabei gehe es um langfristige Überzeugungsarbeit – nicht um die kurzfristigen Erfolge. Innenminister Pistorius meint: „Es ist schon ein großer Fortschritt, wenn die Menschen etwa in Mali erkennen, welche Möglichkeiten eine rechtsstaatliche Polizei hat.“ Er möchte eine engere Kooperation zwischen der niedersächsischen Polizeiakademie und der Nationalpolizei in Mali aufbauen. Der GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff beurteilt das vorsichtig und fordert für Auslandseinsätze eine „gesetzliche Grundlage“: Es müsse sichergestellt werden, dass jeder Kollege, der abgeordnet wird, daheim auch ersetzt wird. (kw)