Die Zahl der Insekten hat in den vergangenen Jahren stark abgenommen, darüber sind sich mittlerweile nahezu alle Parteien einig. Aber wie groß ist das Insektensterben tatsächlich? Und was folgt daraus? Darüber können sich die Fraktionen im Landtag noch immer streiten. Vor allem, nachdem das Umweltministerium auf eine „große Anfrage“ der Grünen einräumt, man wisse eigentlich sehr wenig über die Entwicklung der Insektenpopulationen in den vergangenen Jahrzehnten und könne deshalb auch nicht sagen, woran der Insektenschwund genau liegt und wie man ihm begegnen kann. Die Grünen werfen Umweltminister Olaf Lies deshalb Untätigkeit vor, dieser wiederum kontert, man dürfe nicht in blinden Aktionismus verfallen, ohne eine wissenschaftliche Grundlage zu haben. Allerdings kündigte er einen Aktionsplan an, der im Mai 2019 vorgelegt werden soll.

Die Studie, auf der die Debatte über das Insektensterben zurzeit maßgeblich fußt, ist eine Langzeit-Untersuchung über 30 Jahre des Entomologischen Vereins aus Krefeld. Zwar gibt es europaweit noch andere Untersuchungen zum Thema, diese befassen sich allerdings mit Teilaspekten. „Die Krefelder Studie ist nicht nur deshalb so bedeutsam, weil sie eine der wenigen Langzeitstudien ist. Die vielen offenen Fragen, die durch sie aufgeworfen werden, führen uns auch vor Augen, dass wir das Thema Entwicklung der Insektenpopulation in den vergangenen Jahrzehnten nicht intensiv genug begleitet haben“, sagt Lies. Vor allem, da die Studie nicht staatlich organisiert, sondern von Ehrenamtlichen erstellt worden sei. In Niedersachsen dagegen hat das Umweltministerium nur begrenzt belastbares Datenmaterial.

Welche Insekten in Niedersachsen leben, lasse sich aus dem niedersächsischen Tierarten-Erfassungsprogramm ableiten, heißt es in der Antwort auf die Grünen-Anfrage. Das Programm bestehe seit 1977, könne aber nur Auskunft darüber geben, ob eine Tierart häufig oder selten vorkomme. Eine weitere Möglichkeit für eine Einschätzung der niedersächsischen Insektenpopulation ergibt sich aus den „Roten Listen“ für elf verschiedene Insektengruppen. Demnach sind zurzeit 1432 Insektenarten vom Aussterben bedroht. Allerdings ist unklar, wie viele Arten von Insekten es in Niedersachsen überhaupt gibt. Und noch etwas trübt die Aussagekraft: Nur eine dieser Listen ist jünger als zehn Jahre. „Deshalb brauchen wir unbedingt eine bessere, wissenschaftliche Basis“, sagt Lies.

Das will der Grünen-Abgeordnete Christian Meyer nicht bestreiten, und doch ist er davon überzeugt, dass man schon jetzt mehr tun könne: „Die Große Koalition ruht sich auf den Erfolgen von Rot-Grün aus. Wir waren es, die die Blühstreifen im Land verdoppelt haben und mit der Prämie mehr Menschen zum Imkern bewegt haben. Damit einfach weiterzumachen, reicht nicht aus.“ Der frühere Landwirtschaftsminister kritisiert vor allem, dass es den Landwirten schwer gemacht würde, etwas für den Naturschutz zu tun. „Wenn ein Bauer einen Randstreifen oder eine Brache nicht bewirtschaftet, sondern für die Natur unbewirtschaftet lässt, kommt gleich die EU und streicht ihm die Subvention zusammen“, sagt Meyer. Man brauche daher auch ein Förderprogramm für Landwirte, die sich für die Umwelt engagierten und Brachen als „Rettungsinseln“ für Insekten unbehelligt ließen. „Darüber hinaus müssen endlich die Neonikotinoide für den Pflanzenschutz verboten werden.“

Dem widersprach der CDU-Abgeordnete Frank Schmädeke: „Wenn es wissenschaftlich belegt ist, dass Neonikotinoide als Pflanzenschutzmittel für die Insekten schädlich sind, dann werden wir uns für ein Verbot einsetzen. Allein die Vermutung, und um die geht es zurzeit nur, reicht uns für ein Verbot nicht aus.“ Auch der FDP-Agrarsprecher Hermann Grupe betonte, man dürfe nicht pauschal einer Gruppe – in diesem Falle den Landwirten – die Schuld zuschieben. „Statt Vermutungen anzustellen, sollten wir zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass es möglichst bald gesicherte Erkenntnisse gibt.“ Am heutigen Montag wird sich auch der Umweltausschuss mit dem Thema beschäftigen und in einer Anhörung verschiedene Experten befragen.