Die Erwartungen an Mirko Peisert sind hoch. Der 49-jährige Theologe, der Anfang des Monats die Leitung des „Hauses kirchlicher Dienste“ (HkD) in Hannover übernommen hat und am Freitag feierlich in das Amt des Direktors dieser sogenannten unselbständigen Einrichtung der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers eingeführt wurde, übernimmt diese Verantwortung in einer Zeit großer Umbrüche. Zudem nimmt der ehemalige Superintendent des Kirchenkreises Hildesheim mit seiner Institution eine wichtige Funktion im bereits laufenden Veränderungsprozess der Kirche ein.

Mirko Peisert ist neuer Leiter des „Hauses kirchlicher Dienste“ in Hannover. | Foto: Jens Schulze

Unter dem Dach des großen Zukunftsprozesses, den die Landeskirche derzeit neu konzipiert, wird gerade an vielen Orten parallel daran gearbeitet, wie die Kirche von morgen aussehen kann – mit weniger Gläubigen und weniger Geld. Da ist etwa die vom Landeskirchenamt koordinierte „Verwaltungsreform 2030“, die Abläufe in einer über Jahrzehnte gewachsenen, flächenmäßig großen Kirche mit zahlreichen Unterbehörden und Einrichtungen optimieren will.

Gleichzeitig beschäftigt man sich unter dem Schlagwort „Welle“ mit einer Weiterentwicklung der Verkündigungsberufe. Ein neu geschaffener „Querschnittsausschuss“ der Landessynode nimmt derweil den nächsten Doppelhaushalt in den Blick, in dem sich die finanziellen Kürzungen wohl erstmals bemerkbar machen werden. Ähnliches passiert in den Kirchenkreisen, die ebenfalls in den kommenden fünf Jahren vom Sparzwang betroffen sein dürften. Und dann sucht auch noch das „Haus kirchlicher Dienste“ (HkD) selbst nach einer neuen Struktur und Arbeitsteilung, die zu den neuen Herausforderungen passt.

Wo muss die Kirche stehen? Auf dem Markt!

Wie muss die Kirche von morgen sein, um ihrem Auftrag gerecht zu werden? „Die Kirche gehört auf den Marktplatz“, lautet die gängige Antwort von Peiserts Vorgänger Ralf Tyra, die viele Festredner am Freitag in der hannöverschen Neustädter Hof- und Stadtkirche zitiert haben. Landesbischof Ralf Meister attestierte dem scheidenden Direktor, der nun in den Ruhestand gegangen ist, eine „Weltwachheit“, die ihm immer wieder gute Ideen beschert habe, wie sich die Kirche in einer sich verändernden Welt ausrichten müsse. Eingebracht habe er diese Ideen in den vielen Jahren seines Wirkens über seine Tätigkeit als Leiter der Hanns-Lilje-Stiftung, bei der Expo 2000 sowie bei Kirchen- und Niedersachsentagen. Tyra habe das HkD zu einem agilen Gebilde gemacht und eine „Versäulung“ vermieden, der Austausch zwischen den Abteilungen der Einrichtung sei ihm immer wichtig gewesen, ebenso eine Freiheit zur kreativen Entfaltung, stellte Meister heraus.

Landesbischof Ralf Meister (von links), Ralf Tyra und Mirko Peisert in der Neustädter Hof- und Stadtkirche. | Foto: Jens Schulze

Über Tyras Nachfolger wusste der Landesbischof derweil zu berichten, dass dieser erkannt habe, dass die Zukunft der Kirche an anderen Orten der Welt innovativer gestaltet werde als in der doch recht saturierten deutschen Kirche. Deshalb habe Peisert erst kürzlich sechs Wochen in einer südafrikanischen Kirche hospitiert und von dort die Erkenntnis mitgebracht: „Es kann auch anders gehen, und es kann auch anders gut sein.“

HkD soll „Haus der Transformation der Kirche“ sein

Der neue Direktor weiß um die hohen Erwartungen, die an ihn gerichtet werden – und nutzte seine Predigt am Freitag direkt dazu, diese Erwartungen einzuordnen. „Jetzt wird alles anders, jetzt ist die Zeit!“, rief er euphorisch von der Kanzel und schlug dabei zunächst den Bogen vom Anlass des Gottesdienstes, seinem Dienstbeginn, zur Frauen-Fußballweltmeisterschaft. Denn auch dort seien die Erwartungen hoch gewesen und sogar er habe heimlich mitgefiebert, sagte der bekennende Nicht-Fußball-Fan. Wird die deutsche Mannschaft siegen? Wird ihr Erfolg dem Machismo im Profifußball Einhalt gebieten? „Die Erwartungen sind hoch, und doch steht Deutschland nun nicht im Finale der Weltmeisterschaft.“ Erwartungen können Verheißungen und auch Befürchtungen sein, sagte Peisert und offenbarte: „Die Erwartungen stecken auch mir im Nacken.“

Bei widersprüchlichen Erwartungen sei die Enttäuschung schon einprogrammiert, führte der Theologe weiter aus. Sein Gegenrezept leitete er derweil aus dem Bibeltext aus dem Matthäusevangelium ab, der seiner Predigt zu Grunde lag, und dieses lautet: Eigenverantwortlichkeit. „Selbst sehen, selbst hinhören, eigene Überlegungen erarbeiten.“ In einer komplexer werdenden Welt gebe es keine einfachen Antworten. „Deshalb braucht es das HkD an dieser Stelle mehr denn je, um die Gemeinden zu einer eigenen Position zu befähigen.“ Es gehöre dazu, ehrlich zu sagen, wie es ist – dass zum Beispiel keiner mehr kommt, auch wenn man sich in der Gemeinde redlich bemüht hat. Die Aufgabe des HkD sieht Peisert in dieser Situation darin, aufzuzeigen, was stattdessen funktionieren könnte. Er möchte das „Haus kirchlicher Dienste“ zum „Haus der Transformation der Kirche“ machen.

Das „Haus kirchlicher Dienste“ ist das Kompetenz- und Dienstleistungszentrum der Landeskirche Hannovers. Es nimmt damit im Macht- und Gestaltungsgefüge der größten Gliedkirche der EKD eine nicht unbedeutende Stellung ein, wenn es darum geht, die Ideen aus den Verwaltungsstuben der Landeshauptstadt in die Gemeinden vor Ort zu tragen. Neben dem Hauptstandort des früheren Amtes für Gemeindedienst in der Archivstraße in Hannovers Calenberger Neustadt direkt gegenüber dem niedersächsischen Umweltministerium und in Laufweite zum Landeskirchenamt gibt es noch weitere HkD-Referenzen im ganzen Land: in Aurich, Göttingen, Hildesheim, Leer, Osnabrück, Schneverdingen, Stade und Wolfsburg.



Mehr als 200 Mitarbeiter sind damit befasst, den Gemeinden und der Landeskirche insgesamt durch ihre fachliche Expertise in zahlreichen Themen- und Arbeitsfeldern ganz praktisch unter die Arme zu greifen. In sechs Fachbereiche gegliedert, bietet die Einrichtung Informationen, Handlungsempfehlungen und Expertenwissen etwa für die Gemeindeentwicklung, Tourismus, die Frauen- und Männerarbeit, die Jugendarbeit, Friedensarbeit und interreligiösen Dialog sowie Umweltschutz, Landwirtschaft oder Handwerk.