Niedersachsens Ministerpräsident und SPD-Landeschef Stephan Weil hat sich vorsichtig von einer Forderung des Koalitionspartners CDU distanziert. Das Schächten von Tieren, also die Tötung durch einen Schnitt am Hals, soll nach Ansicht der CDU-Landtagsfraktion nur noch dann gestattet werden, wenn das Tier vorher wenigstens kurzzeitig betäubt wird. Während die Christdemokraten hier den Tierschutz betonen, hatte beispielsweise der Landesverband der Jüdischen Gemeinden im Politikjournal Rundblick gegen die Forderung protestiert. Weil sagte am gestrigen Donnerstag: „Es stört mich, dass das Thema automatisch mit der Religion des Islam in Verbindung gebracht wird. Auch die jüdischen Bräuche sind davon betroffen.“ Da es in Niedersachsen jedes Jahr „nur um eine Zahl von Schlachttieren im niedrigen dreistelligen Bereich“ gehe, solle man hier „keine Schein-Grundsatzdebatte führen“, fügte der Ministerpräsident mit einem kritischen Seitenhieb an die CDU hinzu. Er lehne „vorschnelle Schlagzeilen“ ab und meine, man solle „lieber das Gespräch suchen“. Das zeige auch der energische Protest der Jüdischen Gemeinden, wie er sich mit einer Stellungnahme im Rundblick gezeigt hatte.

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Tatsächlich ist das Schächten als betäubungsloses Töten von Schafen und Ziegen hierzulande verboten, aus religiösen Gründen dürfen die Behörden aber Ausnahmen zulassen, vor allem rund um das islamische Opferfest, das gerade stattgefunden hat. Dies geschieht seit Jahren regelmäßig in Niedersachsen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Ausnahmen vor Jahren auch gebilligt, da die Religionsfreiheit im Grundgesetz einen höheren Wert habe als der Tierschutz als Staatsziel. Die niedersächsische CDU fordert nun, dass künftig Ausnahmen nur noch gestattet werden dürfen, wenn vor dem Schächten eine wenigstens lokale Kurzzeitbetäubung stattfindet. Dies wäre gegenüber dem bisherigen Verfahren eine erhebliche Verschärfung. Weil hält dem entgegen, dass in dem niedersächsischen Schlachthof, der das Schächten ausnahmsweise vornehmen darf, wichtige Regeln beachtet würden und die Tötung auch überwacht werde. Wenn man hier noch weitere Verschärfungen wolle, solle man das „über Gespräche“ versuchen, nicht über öffentliche Forderungen. Bisher hatte sich vor allem die AfD mit scharfer öffentlicher Kritik am Schächten hervorgetan.

Statt vorschnelle Schlagzeilen zu produzieren sollte man lieber das Gespräch suchen.

Weil, der sich gestern den Fragen der Landespressekonferenz stellte, richtete heftige Kritik auch an die Adresse der Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD. Wenn Deutschland die dem Land auferlegten Klimaschutzziele erreichen wolle, so gehe das nur mit einer massiven Förderung der Erneuerbaren Energien, also vor allem der Windenergie und der Verbesserung des Stromtransports von Nord- nach Süddeutschland. Der Ausbau der Trassen Suedlink und A-Trasse (an der holländischen Grenze) komme „nur im Schneckentempo voran“, beides werde wohl nicht vor 2030 fertig sein. Dabei brauche man diese Leitungen viel schneller. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien dürfe auch nicht weiter gebremst werden, kräftige Unterstützung verdiene zudem die Förderung des Wasserstoffs als neues Medium – etwa für den Transport von Energie, für die Abkehr vom Kohlenstoff in der Industrieproduktion oder auch für die Stromversorgung in Wohnsiedlungen. Die EEG-Umlage, die Ökostrom verteure, vertrage sich nicht mit Plänen, den CO2-Ausstoß zu verteuern. Ein starker Schub zur Einführung von neuen Wasserstofftechnologien fehle bislang ebenfalls. „Da passiert auf Bundesebene viel zu wenig“, klagt Weil. Für ihn sei „unbegreifbar“, warum die Bundesregierung noch nichts zur Abschaffung der EEG-Umlage getan hat. „Es weiß doch jeder, dass hier der Schlüssel zum Klimaschutz liegt“, fügt er hinzu.

Das Klimaschutz-Gesetz des Landes erwartet der Ministerpräsident für die Landtagssitzung im September oder Oktober. Darin sei eine Aussage darüber zu erwarten, inwieweit etwa in landeseigenen Gebäuden Wärmeschutz-Investitionen vorgesehen sind – und bis wann das geschehen solle. Das gelte auch für die Frage, in welchen Schritten der Fuhrpark des Landes auf moderne Autos, etwa solche mit Elektroantrieb, umgestellt werden soll.