Lange ist gerätselt worden, ob Stephan Weil dem Reiz des Neuen erliegen würde – ob er antreten würde für den SPD-Vorsitz. Als sich in den vergangenen Tagen einige höhergestellte Genossen offen für den niedersächsischen Ministerpräsidenten ausgesprochen hatten, so Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann und der designierte Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte, schienen sich die Anzeichen für diesen Schritt verdichtet zu haben. Doch seit Montag steht fest: Der 60-jährige wirft in diesem Stadium seinen Hut nicht in den Ring – sondern signalisiert seine Unterstützung für einen knapp 20 Jahre jüngeren, den derzeitigen SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil aus Soltau (Heidekreis).

Noch will Stephan Weil die Geschicke der Bundes-SPD nicht in die Hand nehmen – Foto: MB.

Allerdings: Das ist eine Aussage für den gegenwärtigen Zeitpunkt – in wenigen Wochen könnte es anders ausschauen. Nach Informationen des Politikjournals Rundblick soll Weil seine eingeschränkte Absage am Wochenende gegenüber den kommissarischen SPD-Vorsitzenden Malu Dreyer, Thorsten Schäfer-Gümbel und Manuela Schwesig so geäußert haben. Allerdings gibt es aus niedersächsischen SPD-Kreisen keine Bestätigung dafür, dass es sich hier schon um eine endgültige Klärung der Personalfrage handele. Mit anderen Worten: Diese Erklärung von Weil ist eine Momentaufnahme. Die Lage könnte sich noch ändern, womöglich auch noch nach dem offiziellen Ende der Bewerbungsfrist für den SPD-Vorsitz in etwa fünf Wochen, nämlich Ende August.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Damit bleibt die Situation nach wie vor unübersichtlich. Klar scheint zunächst nur so viel zu sein: Unter den gegenwärtigen Umständen erklärt Weil, dass er kein Interesse an einer Kandidatur hat. Er empfiehlt aber den Namen von Klingbeil, wenn es um einen Bewerber aus Niedersachsen geht. Nun bleibt zu diesem Zeitpunkt ungewiss, ob Klingbeil überhaupt Bereitschaft zur Bewerbung zeigen wird. Aus diesem Umständen und Weils interner Erklärung spricht außerdem, dass ein anderer aus Niedersachsen, Innenminister Boris Pistorius (59) aus Osnabrück, wenig Chancen auf die Nahles-Nachfolge haben dürfte. Wäre der Minister ernsthaft interessiert gewesen an der Parteiführung, so hätte ihn Weil jetzt wohl auch als möglichen Bewerber (neben Klingbeil) genannt. Er tat es aber offensichtlich nicht. Es bleibt allerdings dabei, dass Pistorius großes Interesse an einer neuen politischen Aufgabe und Herausforderung hat.

Weil ist vielleicht doch bereit

Aber was heißt die aktuelle Entwicklung nun für Weil? Da er zunächst intern gegenüber den drei kommissarischen Vorsitzenden erklärt, nicht den Parteivorsitz anzustreben, wird der Blick zunächst von ihm abgelenkt. Als Ergänzung der bisher genannten Kandidaten-Duos, von denen die meisten eher unbekannt sind, wird nun der Name Klingbeil eingeführt. Allerdings meinen viele Beobachter, dass die bisherigen Bewerber – Klingbeil eingeschlossen – nicht unbedingt den Bekanntheitsgrad, das politische Profil und die starke Hausmacht mitbringen, die für eine kraftvolle Führung der kriselnden SPD derzeit nötig wären. Sollte also am Ende kein überzeugender Name hinzukommen, wäre wohl nicht ausgeschlossen, dass dann – vielleicht erst im September, nach Abschluss der Bewerbungsfrist – erneut der Name Weil als „Retter“ der SPD genannt wird.

Immerhin bringt er Erfahrung, politische Rückendeckung und Popularität genug mit, in die Rolle des Nothelfers für die leidende SPD zu schlüpfen – wenn er denn gerufen wird. Wohl auch deshalb meinen mehrere Insider, dass man Weils interne Erklärung vom vergangenen Wochenende „nicht überbewerten“ solle. Sie sei eben nur eine Aussage für den Augenblick und noch nicht für die kommenden Monate. Eine definitive Aussage, heißt es aus niedersächsischen SPD-Kreisen, werde Weil erst treffen, wenn er einen vollständigen Überblick über die Kandidatenlage zum SPD-Vorsitz hat.

Man könnte daraus ableiten, dass der niedersächsische Ministerpräsident womöglich bereit wäre für das aufreibende Amt des SPD-Chefs – aber nur, wenn er flügelübergreifend gerufen wird und nicht nur einer unter ganz vielen Kandidaten sein wird. (kw)