Die Suche nach einer Lösung für die Nord/LB, die eine Kräftigung ihres Eigenkapitals braucht, ist eigentlich eine streng betriebswirtschaftliche Aufgabe. Nur die nüchternen Zahlen sollen entscheiden, und diejenigen Bieter, die das ökonomisch überzeugendste Konzept vorlegen, sollen sich am Ende durchsetzen. In dieser Vorstellung spielt die Politik keine Rolle – doch in der Praxis ist das offenbar anders. Denn kurz bevor heute die Frist endet, in der die Interessenten sich melden sollen, mehren sich Hinweise auf eine Einwirkung sogar der Bundesregierung. Nach unbestätigten Hinweisen, die das Politikjournal Rundblick bekommen hat, gab es in der vergangenen Woche ein Treffen bei Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), an dem auch der niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) – Aufsichtsratschef der Nord/LB – teilgenommen haben soll. Dabei soll es um die Bewerberlage für die Landesbank gegangen sein.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“  berichtet, der Bund dringe in Gestalt von Scholz und seinem Staatssekretär Jörg Kukies darauf, dass die Commerzbank ihr Interesse an der Nord/LB nicht nur signalisiert, sondern dies auch mit konkreten Zahlen untermauert. Der Bund ist mit 15,6 Prozent an der Commerzbank beteiligt. Welchen Sinn aber soll dieses Vorgehen haben, was hat der Bundesfinanzminister davon, wenn die Commerzbank sich einschaltet? Die Antwort lässt sich vor dem Hintergrund des Zerwürfnisses verstehen, das zwischenzeitlich in der Sparkassenfamilie entstanden ist. Einer der Interessenten an der Nord/LB ist die Hessisch-thüringische Landesbank Helaba, die in Frankfurt sitzt und mehrheitlich von den Sparkassen getragen wird.

Für den Einstieg bei der Nord/LB hat die Helaba-Vorstandschef Herbert-Hans Grüntker hohe Hürden aufgetürmt – die 42 niedersächsischen Sparkassen müssten sich zuvor einem Reservefonds anschließen, den die hessischen Sparkassen schon haben. Die Summe, die dafür in Niedersachsen aufgebracht werden müsste, wurde zeitweise auf bis zu 300 Millionen Euro angegeben (der Rundblick berichtete am Montag). Dies wiesen die niedersächsischen Sparkassen empört zurück, zumal sie selbst in der Nord/LB von einem einst mächtigen Partner auf 26,4 Prozent geschmolzen sind und im Fall der Fusion mit der Helaba vielleicht gerade noch einmal einen Anteil von 6 Prozent an der gesamten Nord/LB werden halten können. Sie sollen also für schwindende Macht viel Geld auf den Tisch legen?

Die Streitigkeiten zwischen den Sparkassen in Niedersachsen und Hessen kommen bei der Landesregierung in Hannover und der Bundesregierung in Berlin offenbar als Alarmzeichen an. Ein Risiko wird gesehen: Wenn die Helaba angesichts der verfahrenen Lage kein Angebot abgibt, die Commerzbank aber auch nicht, dann könnten am Ende nur Finanzinvestoren wie Cerberus, Apollo oder andere übrig bleiben und sich womöglich im Eiltempo durchsetzen. Diesen aber wird unterstellt, dass sie vor allem auf eine hohe Rendite aus sind – also auf radikalen Personalabbau in der Nord/LB setzen. Das stößt nun bei vielen Politikern auf Skepsis und Ablehnung. Die beiden anderen Partner könnten darauf hinweisen, dass Synergien möglich sind – die Nord/LB könnte sich Geschäftsfelder entweder mit der Helaba oder der Commerzbank vorübergehend teilen, auch Stufenpläne zu einer jeweiligen späteren Fusion wären denkbar. Dieses Synergie-Modell erscheint vielen wesentlich sozialverträglicher als der Einstieg von Hedgefonds bei der Nord/LB mit unkalkulierbaren Folgen.


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Doch das sehen wohl nicht alle so. In politischen Kreisen werden mittlerweile unterschiedliche Interessenlagen diskutiert. Da sind zum einen die Sparkassen und ihr starker Arm in der Politik, die Bürgermeister und Landräte. Sie wollen die herkömmlichen öffentlich-rechtlichen Banken möglichst frei von der Mitwirkung privater Banken lassen, sehen den Einstieg von Commerzbank und Finanzinvestoren in die Nord/LB deshalb skeptisch und bevorzugen jedenfalls prinzipiell das Helaba-Modell. Wahrscheinlich ist deshalb, dass sich Sparkassen in Niedersachsen und Hessen noch aufeinander zubewegen. Zum anderen gibt es die Befürworter einer Neuordnung der Bankenlandschaft – es soll weniger Institute geben, die dafür aber leistungsfähiger und stärker sind. Ein absehbarer Zusammenschluss von Nord/LB und Commerzbank passt durchaus in diese Vorstellung, wie sie womöglich auch im Bundesfinanzministerium vertreten wird. Die Verzahnung von Nord/LB und Commerzbank wäre in dieser Perspektive ein Beitrag zur Stabilisierung der deutschen Bankenlandschaft, jenseits vom Glaubensstreit zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Banken.

Ganz andere Interessen jedoch können der Landesregierung in Niedersachsen und der Führung der Nord/LB unterstellt werden. Wenn die Helaba einsteigt, droht die Nord/LB-Zentrale in Hannover über kurz oder lang zur kleinen Filiale von Frankfurt zu werden. Nicht viel anders wäre es wohl, wenn die Commerzbank (auch mit Sitz in Frankfurt) der neue Partner der Nord/LB würde. In dieser Perspektive wäre der Einstieg eines Finanzinvestors mit einer Minderheitsbeteiligung, womöglich zeitlich befristet, die verträglichere Variante – denn dann blieben Standorte, Entscheidungszentralen und -prozesse im Wesentlichen wie bisher garantiert, trotz des dann vermutlich mindestens ebenso drastischen Personalabbaus. (kw)