Gestern, am 1. Juli, hat offiziell die zwei Monate dauernde Bewerbungsfrist der SPD für die Suche nach einem neuen Parteivorsitzenden begonnen. Einen Tag vorher sorgte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius dafür, dass künftig in jeder medialen Darstellung über dieses Thema auch sein Name genannt wird. In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ schloss er auf eine entsprechende Frage nicht aus, sich auch für den Posten des SPD-Chefs zu interessieren – allerdings nur in einer „Doppelspitze“, also in Verbindung mit einem anderen Bewerber, vorzugsweise einer Bewerberin.

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Gemeldet hatten sich vorher schon die frühere SPD-Bundespräsidentenkandidatin Gesine Schwan (76), die sich als Ko-Mitglied eines Tandems gemeinsam mit Juso-Chef Kevin Kühnert (30) ins Gespräch brachte, und auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (41), die ebenfalls öffentlich eine Bewerbung für das höchste SPD-Amt nicht ausschloss. Nordrhein-Westfalens SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty (51) äußerte sich ebenfalls dahingehend, mit dem Gedanken an eine Kandidatur zu spielen. Hinzu kommen noch zwei Niedersachsen, über die seit Wochen ebenfalls ständig in dieser Richtung spekuliert wird – ohne dass beide mit einer klaren und eindeutigen Erklärung diese Mutmaßungen beendet hätten: Ministerpräsident Stephan Weil (60) und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil (41), Bundestagsabgeordneter aus dem Heidekreis.

Foto: SPD, MI Niedersachsen, EvDa13

Wie ist die Lage nun aus niedersächsischer Perspektive zu beurteilen? Ob Pistorius tatsächlich ein Interesse am SPD-Vorsitz hat, kann bezweifelt werden. Der Innenminister gehört zwar dem SPD-Parteivorstand an, dort zählt er auch nicht zur Gruppe der schweigenden Mitglieder, und als Innenpolitiker ist er einer der profiliertesten Sozialdemokraten – gern lädt man ihn dazu in Talkshows ein. Als ein „Scharfmacher“ oder ausdrücklicher Vertreter des „rechten Flügels“ der SPD tritt er dabei weniger in Erscheinung. Das wird auch auf den Einfluss seiner Lebensgefährtin Doris Schröder-Köpf zurückgeführt, die sich in der Flüchtlings- und Migrationspolitik am linken Rand der Sozialdemokraten positioniert hat.

Für den Parteivorsitz hätte er gleich zwei Nachteile

In Hannover mehren sich seit Monaten die Hinweise, dass Pistorius einem Angebot, in die Bundespolitik zu wechseln, nicht ablehnend gegenüberstehen würde, dass ihm eine neue Herausforderung gelegen käme. Für den Parteivorsitz indes hätte der 59-Jährige derzeit zwei Nachteile – er hat in SPD-Parteipositionen bisher keine lange Erfahrung. Vielmehr verdankt er seine Karriere einer langen Verwaltungserfahrung, auch als Oberbürgermeister. Große überregionale Bekanntheit war damit nicht verbunden. Deshalb ist er gegenüber Mitbewerbern, die schon auf der Bundesbühne eine Rolle spielen oder einen Landes- oder Bezirksverband geführt haben, im Nachteil. Mit seinem Interview sorgt er nun immerhin dafür, dass man seine Ambitionen erkennt.


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Nun ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Niedersachsen-SPD noch im Juli ihre Richtung in dieser Personalfrage klärt und zu einer einvernehmlichen Lösung kommt. Nach wie vor im Spiel dürfte eine Lösung sein, in der Ministerpräsident Weil SPD-Vorsitzender wird (vermutlich dann gleichberechtigt neben einer Frau). Klingbeil käme in Betracht, wenn ein Zeichen für einen Vertreter der jungen Generation gesetzt werden soll. Dabei ist zu beachten, dass der bisherige SPD-Generalsekretär zum konservativen Flügel der Sozialdemokraten gezählt wird. Zwei andere niedersächsische Namen, über deren mögliche Karrierewünsche vor allem vor dem Rücktritt von Andrea Nahles reichlich berichtet wurde, sind inzwischen aus der öffentlichen Debatte weitgehend verschwunden. Da ist Hubertus Heil (46), Bundesarbeitsminister und Chef des SPD-Bezirks Braunschweig.

Als Vater des Modells der Grundrente sollte er zur Europawahl den Wahlkampfschlager der SPD liefern, doch das magere Ergebnis zeigt, dass die Rechnung nicht aufging. Außerdem haben ihm die zwischenzeitlichen Rückzugspläne vom Bezirksvorsitz, die er nach Protesten wieder aufgab, nicht genützt. Ein anderer, der ausgeprägte SPD-Linke Matthias Miersch (50) aus Laatzen (Region Hannover), wurde als möglicher SPD-Bundestagsfraktionschef gehandelt. Mit der Kür von Rolf Mützenich (60) als Übergangs-Fraktionsvorsitzendem hat sich das jedoch vorläufig erledigt, und für den Parteivorsitz wird Miersch bislang nicht genannt – obwohl er seine Position in der SPD jüngst gestärkt hat. Er wurde vor zehn Tagen zum neuen Vorsitzenden des mitgliederstarken SPD-Bezirks Hannover gewählt.