In vielen kreativen Berufen sind sie schon selbstverständlich, in der Verwaltung setzen sie sich gerade durch: flexible Arbeitszeitmodelle mit Home Office, Teilzeit und mobilem Arbeiten. „Das ist eine natürliche Konsequenz aus der gesellschaftlichen Entwicklung, die sich gerade vollzieht“, sagte die Arbeitswissenschaftlerin Bettina Tondorf beim Arbeitgeberforum des Verbandes Niedersachsenmetall. „Jeder Arbeitnehmer will und muss bei der Vereinbarung von Arbeit und Freizeit das Beste für sich herausholen“, betonte sie. Schließlich mache es die Digitalisierung erst möglich, entkoppelt von Zeit und Ort zu arbeiten. Doch bei der Produktion sei mit der flexiblen Arbeitszeit fast immer Schluss. Dort herrsche in der Regel ein starres Schichtmodell vor, an dem sich seit Jahrzehnten nicht geändert hat. Das könne nun anders werden, denn die Bundesregierung plant eine Novellierung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes.

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Die neuen Regeln sollen es Arbeitnehmern erleichtern, die Arbeitszeit zu reduzieren oder eine Weile in Teilzeit zu gehen. „Und dieses Angebot gilt für alle Arbeitnehmer, ob sie am Computer arbeiten oder in der Produktion“, sagt Juristin Sophie Thoss vom Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall. Selbstverständlich gebe es für Arbeitgeber die Möglichkeit, den Wunsch nach Teilzeit abzulehnen. Aber mit der Novelle würden die Hürden noch höhergesteckt, als sie schon stehen. „Und es ist auch gar nicht sinnvoll, nach Ablehnungsmöglichkeiten zu suchen, wenn man besser darüber nachdenken kann, wie sich das Schichtsystem umbauen lässt“, erklärte Tondorf. Das diesjährige Arbeitgeberforum von Niedersachsenmetall befasste sich gestern unter anderem mit den neuen Möglichkeiten.


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Tondorf arbeitet am Institut für angewandte Arbeitswissenschaften in Düsseldorf und hat erst kürzlich eine Studie zur flexiblen Arbeitszeit begleitet. Demnach haben 47 Prozent der befragten produzierenden Unternehmen wöchentliche Schwankungen in den personellen Kapazitäten auszugleichen, elf Prozent dagegen haben Schwankungen von Tag zu Tag. „Allerdings gehen 60 Prozent der befragten Unternehmen davon aus, dass die täglichen Schwankungen in Zukunft deutlich zunehmen werden“, sagt Tondorf. Ein erster Schritt, um darauf einzugehen, sei die Frage, ob man zu jeder Tageszeit immer das ganze Team vor Ort braucht. „Es kommt vor allem bei älteren Arbeitnehmern oft vor, dass sie mit Attesten die Nachtarbeit umgehen.“ Das sei verständlich, schließlich sei Nachtarbeit ohnehin nicht für jeden etwas und vor allem nicht in jeder Lebensphase, schon gar nicht, wenn es zur gesundheitlichen Belastung führe. „Der Chef sollte sich deshalb überlegen, ob sich nicht einige Tätigkeiten aus der Nacht und dem Wochenende auf den Werktag verlegen lassen und dann für diese Schichten mehr Angestellte einplanen.“ So könnten etwa nur noch drei nachts die notwendigsten Arbeiten leisten, während neun in der Frühschicht alles andere bearbeiteten. Auch den Nachtarbeitszuschlag als Freizeit statt Geld auszuzahlen, sei ein denkbares Angebot.

Mehrarbeit muss nicht schlecht sein

Die Teilzeit in der Schichtarbeit sei ebenfalls kein Problem, für das man gleich ein ganzes Schichtmodell umwerfen müsse. „Man muss lieber die Leitfrage klären, wie die Mitarbeiter sich die Arbeitszeitreduzierung vorstellen. Wollen sie kürzere Schichten arbeiten, weniger Schichten oder weniger Tage in der Woche?“, sagt Tondorf. Und wer würde die Mehrarbeit, die dadurch anfällt, übernehmen? Einzelne Gruppen oder alle anderen Mitarbeiter? „Mehrarbeit muss nicht schlecht sein. Manche Mitarbeiter möchten auch zeitweise lieber mehr als weniger arbeiten. Zum Beispiel weil sie ein Haus gekauft haben und das zusätzliche Geld gut gebrauchen können“, sagt die Arbeitswissenschaftlerin. Die Mitarbeiter mit den unterschiedlichen Arbeitszeiten könne man auf ganz verschiedene Weisen in die Gruppen integrieren. Am wichtigsten sei jedoch, dass man die Mitarbeiter aktiv in die Arbeitszeitgestaltung involviere. „Das macht nachweislich nicht nur zufriedener und motivierter, sondern hilft auch bei der Lösung von Personalengpässen.“