Am 13. Februar war etwas Ungewöhnliches in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) aufgefallen – und der Vorgang sorgt nun seither für politischen Gesprächsstoff in der Landeshauptstadt. Ein Großaufgebot von Polizei beschützte und bewachte die Zugänge und Zufahrten zum Krankenhaus, Kofferräume von vorbeifahrenden Autos wurden kontrolliert, bewaffnete Wachleute zogen auf, die MHH glich einer Festung. Es geht um den Schutz von Igor K., eines Patienten aus Montenegro, der Schussverletzungen erlitt und nun behandelt wird. Er soll ein Mafia-Boss sein, heißt es, und er soll sich bedroht fühlen. Der Vorgang nimmt zunehmend auch die Politiker im Landtag in Beschlag.

Foto: MHH / Karin Kaiser

Am Montag soll es eine gemeinsame Sitzung von Innen- und Wissenschaftsausschuss im Parlament geben, in der über die Vorfälle ausführlich informiert werden soll. Vertreter von Grünen und FDP mahnten am Donnerstag eine rasche Aufklärung durch die Landesregierung an, Vertreter von CDU und SPD nahmen in ihrer Kritik vor allem die MHH-Spitze selbst im Visier. Sie hatte erst Tage, nachdem der Patient schon aufgenommen worden war, die Ministerien informiert – erst danach sind dann sehr eilig die Schutzvorkehrungen eingeleitet worden.

Das Problem liegt offenbar vor allem am Anfang der Geschichte: Der 35-jährige Igor K. aus Montenegro hatte in seiner Heimat sieben Schusswunden erlitten. Das Opfer benötigte offenbar eine Spezialbehandlung, die es in Montenegro nicht erhalten konnte. Also ließ er in der MHH anfragen – und dort war man auch bereit, K. aufzunehmen. Ein Kritikpunkt lautet, die MHH habe nicht kritisch genug nachgefragt, worin die Ursache der Verletzungen lag, ob diese im Zusammenhang mit gewalttätigen Auseinandersetzungen verfeindeter Gruppen liegen und ob mit der Aufnahme die Gefahr verbunden war, einen solchen Konflikt zur MHH nach Hannover zu importieren.

Die Einschätzung, dass eine solche brenzlige Situation entstanden ist, herrscht offenbar seit Tagen bei der Polizeidirektion in Hannover. Nachdrücklich halten sich Berichte, K. sei ein Mafia-Boss. Mutmaßungen drehen sich auch darum, dass das Geld für seine Behandlung als Privatpatient, das er angeblich bar in der Klinik eingezahlt haben soll, aus kriminellen Geschäften stammen könnte.

Gefängniskrankenhaus in Lingen hat Operation abgelehnt

Teilweise verwirrend klingen die Hinweise, die in den vergangenen Tagen laut wurden. So hat die Polizeidirektion Hannover das Ziel verfolgt, K. aus Gründen des besseren Schutzes in einem Gefängniskrankenhaus behandeln zu lassen, etwa in Lingen. Dazu beantragte die Polizei die Ingewahrsamnahme von K. beim Amtsgericht, ein entsprechender Beschluss erging dann auch. Obwohl das Krankenhaus in Lingen zunächst grundsätzlich bereit war, soll es dies dann nach näherer Prüfung abgelehnt haben – vor allem deshalb, weil die komplizierte Behandlung in Lingen nicht so gut wie in der MHH zu vollziehen gewesen wäre. So blieb K. in der MHH.

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Inzwischen hat K. die Intensivstation aber verlassen, und nun, heißt es, könne Lingen ihn aufnehmen. Ein erneuter Antrag der Polizei, ihn in Gewahrsam zu nehmen, also aus Gefahrenabwehrgründen kurzzeitig die Freiheit zu entziehen, wurde gestern Abend vom Amtsgericht Hannover allerdings abgelehnt. Inzwischen überwiege das Freiheitsinteresse von K. gegenüber dem Schutzinteresse des Staates, meinten die Richter. Die Stadt Hannover hat in Abstimmung mit dem Innenministerium am Mittwochabend eine Ausweisungsverfügung erlassen, nach der K. Deutschland sofort verlassen müsse, da seine Anwesenheit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung hierzulande darstelle. Ihm droht damit, wenn er nicht freiwillig gehen sollte, die Abschiebung.