Die Corona-Pandemie trifft alle gleich – und doch jeden ganz anders. Seit über einem Jahr stellt das Virus den Alltag der Niedersachsen auf den Kopf. Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter hat mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten gesprochen und sie gefragt, wie sich ihr Leben verändert hat, woraus sie nun Kraft schöpfen und was sie von der Politik erwarten. Unsere heutige Gesprächspartnerin ist Silke Weyberg, Geschäftsführerin vom Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen-Bremen.

„Dieser ewige Panik-Modus ist nicht aufrechtzuerhalten“, meint Silke Weyberg – Foto: LEE

Rundblick: Sie sind Geschäftsführerin einer Interessenvertretung für Erneuerbare Energien – beschreiben Sie uns bitte kurz, wie Ihr Arbeitsalltag noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie ausgesehen hat.

Weyberg: Mein beruflicher Alltag bestand aus vielen politischen Terminen, Gespräche mit Mitgliedern, Treffen in Berlin, viel Fahrerei. Eigentlich waren wir jede Woche ungefähr drei Tage unterwegs und freuten uns dann, wenn wir mal zwei Tage im Büro waren, um hier die Sachen abzuarbeiten, die sich in der Zwischenzeit dann aufgetürmt hatten.


Corona-Interviews:

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Folge 2: Die Schulleiterin


Rundblick: Und dann kam vor über einem Jahr die Corona-Pandemie über uns. Wie haben Sie damals gemerkt, dass es ernst wurde?

Weyberg: Das war so: Es gab dann die Meldung, dass ein Spieler von Hannover 96 positiv getestet wurde – und der war kurz davor auf einer Veranstaltung, an der auch ich teilgenommen hatte. Vorher war das Thema weit weg, und nun auf einmal war es plötzlich ganz nah. Da hatte ich dann meinen ersten Kontakt mit dem Gesundheitsamt: Was muss ich jetzt tun? Muss ich jetzt in Quarantäne? An dem Tag hatten wir auch die Pressekonferenz zu den Ergebnissen vom runden Tisch zur Windenergie – mussten jetzt alle in Quarantäne, die auch da waren? Solche Fragen beschäftigten mich dann auf einmal. Das Ende vom Lied war: Ich hatte keinen direkten Kontakt zu dem Spieler und musste deshalb auch nicht in Quarantäne. Es war also alles gut, aber ich war alarmiert. Ab dem Zeitpunkt haben wir dann alle im Büro jeden Abend die Rechner mit nach Hause genommen, weil wir nicht wussten, ob wir am nächsten Tag noch zurück ins Büro können.

Hätte uns das Virus ein Jahr früher erreicht, dann würde es unseren Verband so nicht geben.

Rundblick: Haben Sie dann irgendwann eine Homeoffice-Regelung getroffen?

Weyberg: Was ich eben beschrieben habe, war an einem Montag. Bis zum Freitag haben wir dann normal weiter gemacht und ab dem Montag darauf waren wir dann im Homeoffice. Das ging für die nächsten sechs Wochen so. Wir haben dann angefangen mit täglichen Telefonkonferenzen noch ganz ohne irgendwelche Tools, sondern nur der Funktion am Handy, das man einzelne Anrufer hinzuschaltet. Die ganzen kostenlosen Anwendungen waren ja in der Anfangszeit total überlastet, weil die jeder genutzt hat. Es hat sich dann langsam eingespielt aber ich muss sagen: Hätte uns das ein Jahr früher erreicht, dann würde es unseren Verband so nicht geben. Wir sind ja noch ein relativ junger Verband und mussten erst einmal Kontakte aufbauen, das war in der Pandemie nicht gegangen.

Das war auch ein positiver Punkt: Wir haben die Verbandsstrukturen mal eben fix ausgebaut.

Rundblick: Als Interessenvertretung lebt Ihre Arbeit von persönlichen Kontakten – wie ging es damit dann weiter in den folgenden Monaten?

Weyberg: Ab Mai haben wir dann wieder halbwegs normal gearbeitet. Wir brauchten einfach den Austausch. Wir haben die Zeit genutzt und haben die Infrastruktur aufgebaut, haben Teams installiert, die Arbeitskreise strukturiert. Das war auch ein positiver Punkt: Wir haben die Verbandsstrukturen mal eben fix ausgebaut.

Rundblick: Ab Sommer war dann ja auch wieder manches möglich.

Weyberg: Das haben wir auch genutzt. Im Juli fand unsere Mitgliederversammlung statt. Das haben wir zum Anlass genommen, die Strukturen noch weiter auszubauen. Außerdem haben wir die Situation auch politisch genutzt und haben gesagt: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat keinen Lockdown! Im September haben wir unseren zweiten Branchentag ausgerichtet. Der fand dann hybrid statt mit 160 Gästen vor Ort. In der Vorbereitung mussten wir dabei vieles beachten. Natürlich gab es ein Hygienekonzept aber dann sind es so offene Fragen, die zu klären waren. Zum Beispiel: Misst man den Abstand zwischen den sitzenden Personen von Stuhlrand zu Stuhlrand oder von Stuhlmitte zu Stuhlmitte? Bei letzterer Variante hätte ich 40 Personen mehr unterbringen können. Aber es war dann doch von Rand zu Rand. Insgesamt hat es uns und unsere Gäste aber sehr beflügelt, dass wir den Branchentag überhaupt stattfinden lassen konnten.

Wir müssen auch aufpassen, dass unsere Debattenkultur nicht unter die Räder kommt. Der Austausch über politische Themen muss ja gerade jetzt im entscheidenden Wahljahr möglich sein.

Rundblick: Dann kam der November und damit der erneute Lockdown. Wie hat Sie das getroffen?

Weyberg: Ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass das öffentliche Leben noch ein zweites Mal so heruntergefahren wird. Aber letztlich waren wir nun besser darauf vorbereitet. Unsere Mitgliederversammlung im Februar haben wir dann schon komplett digital durchgeführt. Aber jetzt planen wir gerade den nächsten Branchentag und wissen gar nicht, ob der stattfinden kann. Wir planen aktiv auf die Veranstaltung hin aber Sicherheit haben wir keine. Ich habe jetzt 300 Schnelltests bestellt, aber ob die zum Einsatz kommen, weiß ich nicht. Wir haben ein super Hygienekonzept – aber wie entwickeln sich die Inzidenzwerte? Das Gesundheitsamt hat uns jetzt mitgeteilt, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt den Branchentag nicht durchführen dürfen. Das Kongresszentrum sagt zwar, wir sollten das einfach um ein paar Monate schieben. Aber wir haben Minister und Abgeordnete zu Gast, in einem Wahljahr schiebt man das dann nicht einfach. Die Entscheidung ist jedenfalls schon gefallen: Entweder kann der Branchentag als Hybridveranstaltung ausgerichtet werden oder wir sagen ihn ab. Anfang Mai muss nun die Entscheidung endgültig getroffen werden.

Rundblick: Was wünschen Sie sich in dieser Situation von der Politik?

Weyberg: Ich wünsche mir etwas mehr Ruhe. Dieser ewige Panik-Modus ist nicht aufrechtzuerhalten. Nach einem Jahr Pandemie wünsche ich mir einen maßvolleren Umgang – maßvolle Maßnahmen, maßvolle Rhetorik, maßvolle Beschränkungen. Außerdem wünsche ich mir, dass den Menschen wieder etwas zugetraut wird. Ich fühle mich da derzeit schon ziemlich bevormundet. Wir haben bei uns in der Geschäftsstelle relativ normal weiterarbeiten können, weil jeder mit gesundem Menschenverstand an die Sache herangeht und die einfachsten Hygieneregeln einhält. Ich bin deshalb auch kein Freund der neuen Bundesregelungen. Wir sollten lokal schauen, was geht. Dass man mit Hygienekonzepten einige Sachen wieder hochfahren kann, finde ich klasse. Wenn jetzt aber unser Branchentag möglicherweise gar nicht genehmigt werden kann, weil die Bundesnotbremse dem entgegensteht, fehlt mir das Verständnis dafür. Wir müssen auch aufpassen, dass unsere Debattenkultur nicht unter die Räder kommt. Der Austausch über politische Themen muss ja gerade jetzt im entscheidenden Wahljahr möglich sein. Außerdem hoffe ich sehr, dass die Impfungen vorangehen und dass die, die das Bruttosozialprodukt hochhalten und die an der Front im Einsatz sind, wie zum Beispiel in der Schule, nun zügig geimpft werden.