Die niedersächsische Kinder- und Jugendkommission stellt dem Land kein gutes Zeugnis aus für die Einbindung der jüngeren Generation während der Corona-Pandemie. In der Bilanz des vergangenen Jahres seien große Mängel bei der Jugendbeteiligung aufgetreten, erklärte Prof. Wolfgang Schröer von der Universität Hildesheim, der im Auftrag der Kommission den Stand der Verwirklichung von Kinderrechten in Niedersachsen analysiert hat. Beteiligung sei häufig nur projektartig organisiert und dadurch „nicht krisenfest“, führte der Wissenschaftler am Mittwoch vor Journalisten aus.

Niedersachsens Kommunalverfassung sieht eine altersgerechte Betetiligung von Kindern und Jugendlichen vor, sofern sie von einem politischen Vorhaben betroffen sind. – Foto: GettyImages/dolgachov

In einer Befragung hätten Jugendliche angegeben, bei den Diskussionen zur Corona-Politik nicht eingebunden worden zu sein. Die Jugendlichen hätten sich hochgradig solidarisch gezeigt mit den Älteren. „Man hat aber viel zu spät an die jüngere Generation gedacht.“ Bestehende Formate seien im vergangenen Jahr schlicht ausgefallen, die Jugendbeteiligung sei ganz schnell an die zweite oder dritte Stelle verschoben worden, berichtete Prof. Schröer. Dabei habe jede Gemeinde durch die Kommunalverfassung den klaren Auftrag, altersgerechte Instrumente zu entwickeln und bereitzustellen, um Kinder und Jugendliche bei allen Belangen zu befragen, die sie betreffen könnten. „Auch in Krisenzeiten müssen Kinder und Jugendliche also beteiligt werden“, sagte Schröer.


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Johannes Schmidt, Vorsitzender der niedersächsischen Kinder- und Jugendkommission, möchte deshalb nun „eine neue Epoche der Beteiligung“ anstoßen. „Kinder sollen um ihre Rechte wissen und sie anwenden können“, erklärte Schmidt. Die Kommission, die aus Vertretern des Landtags und externen Fachleuten besteht, hat zu diesem Zweck mehrere Forderungen erarbeitet, wie die Einbindung von Kindern und Jugendlichen künftig konstant und auf einem höheren Niveau gewährleistet werden kann:

Beratungsangebote in den Kommunen: Kinder und Jugendliche sollten nach Ansicht der Kommission einen festen Ort in jeder Stadt oder Gemeinde haben, an den sie sich bei Fragen bezüglich ihrer Rechte wenden können. Schmidt erinnerte dabei an die sogenannten Kinderbüros, die in den 1980ern in Nordrhein-Westfalen beliebt waren. Die Büros waren Anlaufstellen für Kinder, in denen Initiativen zur Beteiligung entwickeln wurden. Schmidt brachte auch den Begriff der Ombudsstelle für eine solche Einrichtung ins Gespräch. Denkbar sei auch, dass ein bestimmtes Mitglied eines Stadtrats sowie der Verwaltung mit der Zuständigkeit für die Kinderbeteiligung beauftragt wird. Wird in einer Kommune ein Neubaugebiet geplant, könnte über diese Ombudsstelle gemeinsam mit Kindern daran gearbeitet werden, die Planung von Wegen zu Jugendeinrichtungen, Spielplätzen und Schulen so zu gestalten, dass sie auch „für kurze Beine“ gemacht werden, erklärte der Kommissionsvorsitzende.

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Jugendbeteiligung als Querschnittsaufgabe: „Alles hat etwas mit Kindern zu tun“, sagte Schmidt. Deshalb reiche es nicht aus, dass sich nur ein einzelnes Ressort, nämlich das Sozialministerium, mit den Interessen von Kindern und Jugendlichen befasst. Beim Straßenbau, der Schulplanung oder der Errichtung von Spielplätzen müsse die Sichtweise von Kindern mitgedacht werden. Prof. Schröer forderte gar, mehr junge Menschen in die Politikberatung zu bringen. Es gebe beispielsweise das Instrument eines Jugend-Checks für Gesetze. Dabei werde herausgearbeitet, in welcher Weise Kinder und Jugendliche von einem jeden Gesetzesvorhaben betroffen wären. In letzter Zeit sei das zu wenig betrachtet worden, rügte der Wissenschaftler.

Niedersachsens Kinder- und Jugendkommission stellte am Mittwoch in der Landespressekonferenz ihre Forderungen vor. Foto: nkw

Kontrolle der Kinder- und Jugendstrategie: Um die Nachhaltigkeit sämtlicher Maßnahmen zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sicherzustellen, sollten diese nach Ansicht der Kommission mindestens alle zwei Jahre beurteilt werden. Dazu soll ein externes Institut beauftragt werden, das dann in Zusammenarbeit mit Vertretern der jungen Generation aus deren Perspektive heraus den Fortschritt betrachtet. Zudem soll einmal in jeder Legislaturperiode des Landtags eine Gesamtanalyse erstellt werden.

Vernetzung der Akteure: Arbeit mit und für Kinder und Jugendliche wird in vielen Verbänden und Organisationen geleistet. Die Kommission möchte diese Institutionen noch enger miteinander verbinden. Dem Landesjugendring (LJR) komme dabei eine besondere Funktion zu, erklärte Schmidt. Der LJR sei die Lokomotive, die Kinder- und Jugendkommission werde nun das Gleis verstärken. (nkw)