Kommentar: Autofahrer brauchen Alternativen, keine höheren Parkgebühren
In Paris wurde der Anfang gemacht – und Zustimmung gibt es auch in deutschen Städten, beispielsweise in Hannover: Kommunalpolitiker überlegen, ob man die Parkgebühren im ruhenden Verkehr staffeln kann, beispielsweise an der Länge der Fahrzeuge, an ihrem Gewicht oder der Größe. Die einen halten das aus Klimaschutz-Gründen für vertretbar, die anderen befürchten, das schrecke viele Autofahrer vom Besuch der Innenstädte ab. Die Rundblick-Redaktion streitet über den Vorschlag in einem Pro und Contra.
CONTRA: Wer ernsthaft an einer Verkehrswende interessiert ist, muss Autofahrern ein Angebot zum Umstieg machen und darf sie nicht immer wieder vor den Kopf stoßen. Die Debatte um höhere SUV-Parkgebühren in Hannover bringt wenig Nutzen und richtet viel Schaden an, meint Christian Wilhelm Link.
Wir alle werden gerade Zeugen, wie die mit großen Versprechungen gestartete Verkehrswende in der Landeshauptstadt scheitert. Schuld daran haben natürlich nicht Stadtpolitik und Stadtverwaltung, die es einfach nicht schaffen interessante Alternativen zum motorisierten Individualverkehr im hannoverschen Stadtgebiet zu etablieren, sondern die SUV-Fahrer. Die besitzen doch tatsächlich die Frechheit, ihre im freien Verkauf erhältlichen und vom TÜV zugelassenen Fahrzeuge auf regulär ausgezeichneten Stellplätzen im öffentlichen Straßenraum zu parken. Zum Glück gibt es einen halbgaren Vorstoß in Paris, der die Stadtgeländewagenfahrer endlich zur Vernunft bringen wird.
Dass die Verdreifachung der SUV-Gebühren in der französischen Hauptstadt in Deutschland so große Wellen schlägt, ist gelinde gesagt verwunderlich. Gerade mal sechs Prozent der Pariser haben an der Bürgerbefragung teilgenommen, die auch nur mit einer knappen Mehrheit (54,5 Prozent) befürwortet wurde. Selbst in einer Millionen-Metropole gibt es also für einen solchen Vorstoß weder eine deutliche Mehrheit noch ein ernsthaftes Interesse. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass die Einführung des SUV-Sonderparktarifs bei den Parisern krachend gescheitert wäre, wenn er nicht ausschließlich für Besucher von außerhalb gelten würde. Zudem beinhaltet die Gebührenerhöhung so viel Ausnahmen, dass sie keinen ernsthaften Beitrag zur Verkehrswende darstellt, sondern eher wie der ökologisch getarnte Versuch anmutet, die Stadtkasse zu Lasten von Auswärtigen aufzubessern.
Der Effekt ist minimal, aber die Verkehrswende gewinnt dadurch wieder ein paar erbitterte Gegner dazu.
„Wir werden uns auch in Hannover der Frage stellen müssen, wie wir mit Fahrzeugen umgehen, die mehr Raum einnehmen“, kommentierte Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) die Bürgerbefragung in Paris. Dabei wünsche ich viel Erfolg, denn das meistverkaufte Auto der Welt im vergangenen Jahr war das Tesla Model Y mit einer Länge von 4,75 Metern – ein ziemliches Schiff. In Deutschland schaffte es der Mittelklasse-SUV 2023 ebenfalls unter die Top Ten der Neuzulassungen, wo zudem Stadtgeländewagen wie der VW T-Roc und der BMW X1 oder auch die Mercedes C-Klasse zu finden sind. Sicher kann Hannover versuchen, den weltweiten Trend zu größeren Fahrzeugen mit höheren Parkgebühren im öffentlichen Raum zu bekämpfen. Aber was genau soll das bringen? Viel weniger Stadtgeländewagen, Wohnmobile und Lieferwagen werden dadurch sicher nicht durch Hannover fahren, sie werden nur an anderen Stellen und womöglich zu höheren Preisen parken müssen. Der Effekt ist minimal, aber die Verkehrswende gewinnt dadurch wieder ein paar erbitterte Gegner dazu. Überhaupt schürt die Debatte um die Sonder-Parkgebühren nur Unsicherheit und erweist der ganzen Sache einen Bärendienst – insbesondere im aktuellen politischen Klima.
Aber selbst wenn Belit Onay für die SUV-Parktarife in Hannover eine politische Mehrheit fände: Wie soll das überhaupt umgesetzt werden? Die Parkautomaten in der Landeshauptstadt sind in der Bedienung jetzt schon herausfordernd genug und auch gar nicht auf ein mehrstufiges Längensystem ausgerichtet. Müssen dann sämtliche Geräte unter immensen Kosten ausgetauscht werden? Oder wird dann ein Videokontrollsystem wie in Paris eingeführt, was sich die verschuldete Landeshauptstadt sicherlich ebenfalls nicht leisten kann? Der Verkehrsaußendienst in Hannover ist auf jeden Fall jetzt schon damit überfordert, das Falschparken in den Stadtteilen zu ahnden. Die Kontrolle von Fahrzeuglänge und Gewicht bei der gleichzeitigen Berücksichtigung von eventuellen Ausnahmen – es könnte sich ja um einen Handwerker, Lieferanten oder Anwohner handeln – würde die Sache nicht einfacher machen. Um es kurz zu machen: Das alles ist den Aufwand nicht wert. Sinnvoller wäre es zum Beispiel, wenn Hannover endlich einen nennenswerten Park-and-Ride-Verkehr einführen würde, damit Auswärtige die letzte Meile nicht mit dem eigenen Auto im Innenstadtbereich fahren müssen. Ein Umbau der veralteten Parkhäuser für die breiter gewordenen Fahrzeuge würde ebenfalls helfen. Darüber hinaus gibt es noch viele gute Ideen, um den Umstieg auf den ÖPNV attraktiver zu machen. Fast alle sind besser als der Vorstoß aus Paris.
Dieser Artikel erschien am 07.02.2024 in der Ausgabe #023.
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