Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Niedersachsen hat jüngst gefordert, alle Polizisten mit „Tasern“ auszustatten, den Distanz-Elektroimpulsgeräten. Diese „Zwischenlösung“ sei nötig, da sonst nach dem Einsatz von Schlagstöcken nur noch die Schusswaffe erlaubt sei. Die Innenministerin lehnte den Vorstoß ab, sie will diese Geräte weiterhin nur für Sondereinsatzkommandos vorsehen. Welche zusätzlichen Waffen benötigen die Ordnungskräfte? Darüber diskutiert die Rundblick-Redaktion in einem Pro und Contra.

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PRO: Jedes Mittel, das die allgemeine und konkrete Sicherheit erhöht und zugleich weniger schädlich ist als eine Schusswaffe, ist eine sinnvolle Ergänzung der Ausrüstung unserer Polizei, meint Niklas Kleinwächter.

Wenn Sie noch nicht sicher sind, wie Sie zu einer möglichen Einführung von Tasern stehen, die der Experte Distanz-Elektroimpulsgeräte (DEIG) nennt, müssen Sie sich einfach nur drei kurze Fragen stellen: Möchte ich mit ansehen müssen, wie ein Mitmensch angeschossen oder erschossen wird? Möchte ich einen Mitmenschen an- oder erschießen müssen? Möchte ich im schlimmsten Fall selbst an- oder erschossen werden? Vermutlich haben Sie jetzt dreimal mit Nein geantwortet – dann sollte der Taser für Sie eine sinnvolle Ergänzung sein. Natürlich sind das keine alltäglichen Vorgänge im Leben eines Normalbürgers. Und auch Polizisten in Niedersachsen kommen zum Glück nicht allzu häufig in eine Lage, die den Schusswaffengebrauch verlangt. Grob über den Daumen gepeilt sind es mit Blick auf die jüngeren Statistiken jährlich etwas über 2000 Fälle gewesen. Das allein ist aber noch kein Argument, eine weniger invasive Möglichkeit nicht in Betracht zu ziehen. Wissend, dass der Einsatz von Tasern auch in den Reihen der Polizisten umstritten ist, gibt es doch gute Gründe, die dafür sprechen:

Taktische Lücke schließen: Für welche Situationen ist der Taser überhaupt gedacht? Eine Situation kann man sich wie folgt vorstellen: Ein Einsatzteam der Streifenpolizei trifft auf einen aggressiven Menschen, der zuvor Passanten auf der Straße bedroht hat. Vielleicht trägt er eine Waffe, ganz sicher kann man da ja ohnehin nicht sein. Die Polizei muss die angespannte Situation nun deeskalieren, was sie natürlich zunächst durch ihre bloße Anwesenheit und Zureden versuchen wird. Zeigt sich der Aggressor aber nicht einsichtig oder richtet die Bedrohung nun konkret auf Dritte oder die Beamten selbst, müssen diese eingreifen. Je nach Distanz gibt es dafür verschiedene Möglichkeiten: Bei unmittelbarem Kontakt müssen die Beamten ihren Körper einsetzen und sich damit in Gefahr bringen. Sie haben aber auch einen Schlagstock oder Pfefferspray. Letzteres, zeigt die Erfahrung, kann allerdings in der konkreten Situation wahlweise daneben gehen oder den Falschen treffen. Ist die Distanz größer, bleibt den Polizeibeamten häufig nur der Einsatz der Schusswaffe. Zwischen Schlagstock und Schusswaffe gibt es allerdings einen Raum, den im Idealfall der Taser schließen könnte. „Das DEIG schließt eine taktische Lücke in den zur Verfügung stehenden Einsatzmitteln“, lobt deshalb auch Patrick Seegers von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Niedersachsen.

Psychische und körperliche Gesundheit sichern: Der Einsatz der Schusswaffe ist für die Polizei stets die Ultima Ratio. Kommt es allerdings dazu, ist es für die Betroffenen – den Schützen, den Getroffenen und mögliche Zuschauer – meist höchst traumatisch. Der Einsatz eines Tasers wirkt derweil nur in der abstrakten Vorstellung wie ein grausames Instrument. Tatsächlich geben die Elektroden lediglich Stromstöße von maximal 1,3 Milliampere an den Körper des Beschossenen ab. Zum Vergleich: Bei einer Steckdose sind es 16 Ampere. Die Stromstöße, die bei den aktuell gängigen Modellen auf 19 Impulse pro Sekunde für eine Dauer von fünf Sekunden begrenzt sind, führen zu einer vorübergehenden Muskellähmung. Der Angreifer wird dadurch handlungsunfähig gemacht und kann zugleich berührt und gefesselt werden. Wird der Taser ausgeschaltet, verfliegt auch die Wirkung. Was bleibt, sind kleine Einstichstellen der Elektroden und vielleicht ein leichter Muskelkater. Das ist allemal besser als eine Einschusswunde im Bein. In jenen Ländern, die den Taser bereits verwenden, hat sich zudem gezeigt, dass allein das drohende Aufblitzen des Lichtbogens oder das Anvisieren mithilfe des Ziellasers die allermeisten Täter bereits zum Aufgeben veranlassen.



Gestiegene Bedrohungslage anerkennen: Regelmäßig und spätestens wieder zum Jahreswechsel wird die zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte von Medien und Politik thematisiert. Dass Polizisten im Einsatz in einen Hinterhalt gelockt und angegriffen werden, ist keine Erfindung, sondern Realität. Unsere Sicherheitskräfte, die das Gewaltmonopol des Staates durchsetzen, nicht zuletzt für solche Situationen bestmöglich auszustatten, ist deshalb Verpflichtung jener Bürger des Staates, den sie verteidigen. Dass dabei auf eine Alternative zur Schusswaffe gesetzt wird, wäre angesichts der Gefahr einer unnötigen Eskalation nach einem Schusswaffeneinsatz dringend geboten. Dass die präventive Wirkung des Tasers auch mal verpufft, lässt sich nicht verhindern. Deshalb aber von vornherein darauf zu verzichten, erscheint unredlich. Wenn Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens unter anderem mit Verweis auf den hohen Trainingsaufwand die Anschaffung ablehnt, muss man die Frage stellen, ob es womöglich allgemein einen Nachholbedarf beim polizeilichen Schießtraining gibt. Und wenn die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mit Verweis auf die hohen Kosten bei nicht immer garantierter Wirkung gegen die Anschaffung votiert, stellt sich doch die Frage, ob die potenzielle Unversehrtheit der Betroffenen nicht höher zu werten ist als knappe Kassen. Zumindest einen Versuch wäre es vielleicht wert.