Ein Jahr hat eine Gruppe von etwa 20 Bürgern aus vielen Teilen Niedersachsens, die eine „Volksinitiative“ gestartet hat, nun Zeit. Legen sie bis dahin 70.000 Unterschriften von wahlberechtigten Niedersachsen vor, dann muss sich der Landtag mit ihrem Anliegen beschäftigen. Die Initiative will die Gender-Sonderzeichen wie Binnen-I, Unterstrich oder Doppelpunkt in der behördlichen Sprache des Landes und der Kommunen unterbinden – und in den Schulen und Hochschulen auch. Öffentliche Unternehmen wie der NDR sollen zudem aufgefordert werden, sich ebenso zu verhalten. Zwei Initiatoren, Alexander Börger aus dem Landkreis Helmstedt und Achim Sohns aus Hannover, äußern sich beim Besuch der Redaktion des Politikjournals Rundblick.

Alexander Börger (von rechts) und Achim Sohns erklären Niklas Kleinwächter und Klaus Wallbaum, warum sie eine Initiative gegen Gender-Sonderzeichen gegründet haben. | Foto: Link

Rundblick: Wie haben Sie denn zueinander gefunden – und welche Prägung hat Ihre Bürgerinitiative?

Börger: Wir sind strikt überparteilich. Einige wie ich sind in der CDU, andere sind bei den Freien Wählern. Aber wir haben durchaus auch Zuspruch etwa von Sozialdemokraten erfahren. Seit dem Frühsommer 2023 treffen wir uns. Ich habe vielfach protestiert gegen die Verwendung der Gendersprache. Beispielsweise ist in einer Reportage bei NDR Kultur vom „Völkermord an den ArmenierInnen“ die Rede gewesen. Dagegen habe ich mich beim Rundfunkrat beschwert. Mehrere von uns stellen aber fest, dass diese Hinweise ungehört verhallen. Daher möchten wir, dass sich der Landtag intensiv mit dem Thema befasst.

Rundblick: Die Situation an Schulen und Hochschulen spielte auch eine Rolle?

Sohns: Als meine Kinder etwa zehn Jahre alt waren, fing die Lehrerin an zu gendern – beispielsweise mit Sternchen in Lerntexten. Für mich ist das eine politisch motivierte, hässliche und artifizielle Sprache, und sollte daher im Unterricht nicht stattfinden. Auf meine Einwände erhielt ich die Antwort, das müssten die Schulaufsicht und das Kultusministerium klären. Nun hat Kultusministerin Julia Hamburg aber im April 2023 die Lehrer ausdrücklich zum Gendern ermutigt und erklärt, die Anwendung von Gender-Sonderzeichen sei „nicht als Rechtschreibfehler zu werten“. Das heißt, dass die politischen Vorgaben derzeit in eine andere Richtung weisen als die, für die unsere Bürgerinitiative eintritt. Andere Bundesländer sind da schon viel weiter, etwa Bayern, Schleswig-Holstein, Sachsen oder auch Hessen. In Hessen haben sich CDU und SPD darauf verständigt, die Gender-Sonderzeichen amtlich nicht zu verwenden. In Niedersachsen indes wird diese Debatte offiziell nicht geführt. Das ist schade.

Achim Sohns (links) und Alexander Börger halten nichts vom Gendersternchen. | Foto: Link

Rundblick: Denken Sie nicht, dass sich Sprache fortentwickelt – und die Gender-Varianten bald zum völlig normalen Sprachgebrauch zählen werden?

Börger: Wir nehmen wahr, dass die Gender-Zeichen als politische Ausdrucksform verwendet werden, gleichwohl ist die Zustimmung zu Gendersprachformen tendenziell sogar rückläufig. Eine stabile deutliche Mehrheit lehnt das ab. Es gibt hierzulande einen ausgeprägten Trend zur Geschlechtszuordnung. Das wirkt dann in Gestalt der Sonderzeichen aufgesetzt und fremd, geht an der Lebenswirklichkeit vieler Menschen vorbei. Nehmen wir zum Vergleich den angelsächsischen Sprachraum. Dort beobachten wir den gegenteiligen Effekt einer Neutralisierung. Das Wort „actress“ für Schauspielerin wird dort von vielen Darstellerinnen als diskriminierend empfunden, sie wollen „actor“ genannt werden. In den neuen Bundesländern hat es das auch gegeben, da legen heute noch viele Frauen Wert darauf, „Chemiker“ genannt zu werden und nicht etwa „Chemikerin“. Oder „Frau Ingenieur“ statt „Frau Ingenieurin“. Die maskulinen Formen wurden und werden mithin als das verstanden, was sie sind, nämlich Berufsbezeichnungen, und nicht als Geschlechtszuweisungen.



Rundblick: Was halten Sie davon, wenn von „Geschäftsführung“ statt von „Geschäftsführer“ die Rede ist?

Börger: Das kann man machen. Die deutsche Sprache ist ohne Gender-Sonderzeichen flexibel genug, auf bestimmte Dinge einzugehen. „Studierende“ statt „Studenten“ etwa halte ich für hinnehmbar – denn studieren kann man auch, wenn man gerade nicht über seinen Büchern hockt oder in der Vorlesung sitzt. Bei „Radfahrenden“ habe ich eher Bedenken, besonders bei „toten Radfahrenden“. Das geht nämlich nicht, gleichzeitig Radfahren und tot sein. Ein Radfahrer kann aber bei einem Unfall getötet werden. Das Beispiel zeigt: Wir sollten keine Angst haben vor dem generischen Maskulinum, das wir seit Hunderten von Jahren anwenden. Die Menschen verstehen es.

Rundblick: Wenn man sagt: „Die Schüler der Klasse 7a sind zu laut“ – sind dann nur die Jungen gemeint oder alle Jungen und Mädchen?

Sohns: Beide Gruppen, und das Gute am generischen Maskulinum ist, dass es auch diversgeschlechtliche Menschen bezeichnet. Nur, wenn es ausdrücklich erwähnt wird, sind mit „die Schüler“ nur die Jungen gemeint.

Achim Sohns (links) und Alexander Börger halten nichts vom Gendersternchen. | Foto: Link

Rundblick: Warum wollen Sie nicht, dass alle Gruppen die Freiheit haben zu gendern, wenn sie denn nur wollen?

Sohns: Im privaten Bereich kann es jede Gruppe halten, wie sie möchte. Es geht um den öffentlichen Sprachgebrauch und eine verständliche und allgemein gebräuchliche Sprache für die gesamte Bevölkerung. Und wir möchten nicht, dass in Bildungseinrichtungen ein Konformitätsdruck entsteht. Wenn etwa ein Student – wie in Göttingen geschehen – einen Punktabzug erhält, da er in seiner Arbeit nicht gegendert hat. Das darf nicht sein, auf diese Weise entsteht für alle Studenten ein Zwang, sich der Sprach-Vorgabe des Professors unterzuordnen. Und das, obwohl der Rat für deutsche Rechtschreibung entschieden hat, dass Gender-Sonderzeichen nicht zum amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung gehören. Und was die Schule anbelangt: Es gibt viele Migranten, die Schwierigkeiten haben mit dem Erlernen der deutschen Sprache. Wenn wir das jetzt mit Gender-Regeln noch weiter verkomplizieren, richten wir neue Hürden auf. Dabei sollte es doch gerade um Erleichterungen gehen. Die Gender-Sprache ist eine Elitensprache für bestimmte Personenkreise. Sie ist nicht inklusiv, sondern grenzt aus.

Rundblick: Wenn Sie davon überzeugt sind, dass die breite Mehrheit das Gendern ablehnt – warum haben Sie dann nicht gleich ein Volksbegehren gestartet? Die Volksinitiative führt ja nur dazu, dass sich das Landesparlament mit dem Thema beschäftigen muss.

Börger: Die bürokratischen Hürden im Volksabstimmungsgesetz Niedersachsens sind sehr hoch. Wir fangen mit der Volksinitiative an. Das ist auch eine Sache des Respekts vor dem Parlament als entscheidendem Ort für die politische Willensbildung. Wir hoffen, mit unserem Vorstoß die Debatte auf eine breitere Basis zu stellen und somit letztlich für einen Sprachfrieden in Niedersachsen sorgen zu können.

Rundblick: Sie werden die Gender-Befürworter sicher nicht erreichen, auch dann nicht, wenn der Landtag in Ihrem Sinne entscheidet. Geht es nicht vielmehr um eine Machtdemonstration? Da der Duden nicht mehr die Wirkung hat wie früher, im „Rat für deutsche Rechtschreibung“ auch Gender-Befürworter wirken und viele Kommunen oder Hochschulen in der internen Sprache eigenen Regeln folgen, zerbröselt offenbar der Sprachgebrauch – auch im offiziellen Teil. Dem wollen Sie offenbar etwas entgegensetzen.

Börger: Es geht auch darum, die Kollateralschäden des übertriebenen Gebrauchs von Gender-Sonderzeichen stärker als bisher in den Blick zu nehmen. Außenstehende, die sich orientieren müssen, stoßen auf Hürden. Studenten aus China etwa, die hier Fuß fassen wollen, werden von der Gender-Sprache, sofern sie Sonderzeichen verwendet, irritiert, weil sie sie aus ihrem Deutschunterricht zuhause nicht kennen. Die Sprachverwendung wird von vielen Befürwortern dieser Methode verstanden als ein politisch-moralisches Projekt. Doch Sprache ist damit überfordert. Die Dialekte nehmen immer mehr ab, im Gegenzug werden Sonderzeichen eingeführt, an denen sich heftige Dispute entzünden. Für die Sprache ist das nicht gut – und deshalb sollte es aufhören. Auch in anderen Politikbereichen ist durch eine klarstellende Gesetzgebung eine langjährige Befriedung erreicht worden. Wir reichen die Hand zum Dialog.