Der Streit der verschiedenen Lager in der niedersächsischen AfD wird immer unversöhnlicher. Nach Informationen des Politikjournals Rundblick will der Vorstand einen Sonderparteitag einberufen, der am 15. Mai in Braunschweig stattfinden soll. Dabei steht offenbar eine Machtprobe bevor. Gegner des Landesvorstandes, der vom Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden Jens Kestner (Northeim) geführt wird, haben bereits gegen einzelne Mitglieder des Vorstandes Abwahlanträge eingereicht. Damit diese Erfolg haben, müssten zwei Drittel der beim Parteitag anwesenden Mitglieder zustimmen.


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Nicht ausgeschlossen wird parteiintern, dass auch noch gegen Kestner selbst ein Abwahlantrag eingereicht wird. Auch die andere Seite, die vom Bundestagsabgeordneten Jörn König (Hannover), vom Bundestags-Spitzenkandidaten Joachim Wundrak (Schaumburg) und von Frank Rinck (Uelzen) repräsentiert wird, muss bei diesem Sonderparteitag mit Gegenwind rechnen. In der AfD kursieren Überlegungen, der Parteitag könne vom Landesvorstand eine erneute Einladung zu einer Aufstellungsversammlung zur Bundestagswahl verlangen. Bei der Versammlung Anfang Dezember, in der Wundrak und König einen Sieg über Kestner und seinen Verbündeten Armin-Paul Hampel errungen hatten, war es nämlich zu Formfehlern gekommen, deren Bedeutung bisher noch unklar bleiben.

Undurchsichtige Machtkämpfe in der AfD

Um die undurchsichtigen Machtkämpfe in der niedersächsischen AfD zu entwirren, ist ein kurzer Rückblick auf die Ereignisse im vergangenen Jahr nötig: Im September 2020 hatte die Gruppe um Kestner, Hampel und den Landtagsabgeordneten Stephan Bothe (Lüneburg) und Christopher Emden (Kreis Verden)  beim Landesparteitag den bisherigen Vorstand um Dana Guth (Göttingen) gestürzt und selbst die Führungspositionen besetzt. Guth war wenig später aus der AfD ausgetreten. Drei Monate später dann, bei der Aufstellungsversammlung zur Bundestagswahl, kam überraschend der Gegenschlag: Kestner und Hampel wurden nicht mehr für den Bundestag aufgestellt, auf die sicheren Plätze kamen aber Wundrak, Rinck und König.

Der Machtkampf spitzt sich zu: Wundrak oder Kestner? – Foto: kw; Kestner; AfD

Wenig später stellte der düpierte Landesvorstand um Kestner fest, dass es in dieser Aufstellungsversammlung zu Formfehlern gekommen war. 40 oder wenigstens 24 der insgesamt 2500 niedersächsischen AfD-Mitglieder seien nicht eingeladen worden – und das könne wegen der knappen Ergebnisse bei den Kampfkandidaturen im Dezember durchaus relevant gewesen sein. Landeswahlleiterin Ulrike Sachs hat nach einer ersten Prüfung zwölf Fragen an die AfD gerichtet, mit denen sie klären will, ob die AfD fahrlässig oder wissentlich die mindestens 24 Mitglieder nicht eingeladen hat. Von der Antwort hängt offenbar ab, ob sie empfehlen wird, die Aufstellungsversammlung zu wiederholen – oder ob sie die Mängel für hinnehmbar hält. Die Zeit wird knapp, bis 19. Juli muss die AfD ihre Liste zur Bundestagswahl spätestens eingereicht haben.

Misstrauen macht sich breit: Verzögerungstaktik?

Nun kursieren in der AfD Informationen, der Landesvorstand habe auf den Sachs-Brief bereits geantwortet, die Antwort aber sei bei Sachs noch nicht angekommen. Gesprächspartner der Landeswahlleiterin sind zwei Vertrauensleute, die im Dezember gewählt worden waren. Diese werden jedoch dem Lager der Kestner-Gegner zugeordnet. Misstrauen macht sich breit, einige AfD-Mitglieder würden mit Verzögerungstaktiken arbeiten. Der Vorgang belegt noch einmal, wie gereizt die Stimmung in der AfD derzeit ist.


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Für den Landesparteitag am 15. Mai liegen bereits zwei Abwahlanträge vor. Einer richtet sich gegen den Vize-Landesvorsitzenden Bothe. Es heißt, Bothe sei der eigentlich Verantwortliche für die Versäumnisse bei der Einladung zu der Aufstellungsversammlung. Ein anderer Antrag richtet sich gegen Maik Schmitz aus Northeim, einen engen Vertrauten des Landesvorsitzenden Kestner. In diesem Vorstoß wird behauptet, es sei Schmitz gewesen, der für die Fehler bei den Einladungen zur Listenaufstellung gerade stehen müsse.

Da Schmitz und Bothe zu den beiden einflussreichsten Leuten im Umfeld von Kestner gehören, richten sich die Anträge eigentlich gegen den Landesvorsitzenden selbst. Beim Sonderparteitag ist jedoch wenig kalkulierbar, welches Lager am stärksten mobilisiert und am Ende die Mehrheit haben wird. Sollte das Lager von Kestner, Hampel und Bothe die Nase vorn haben, könnte der Parteitag auch den Landesvorstand auffordern, unabhängig vom endgültigen Votum der Landeswahlleiterin die Aufstellungsversammlung zur Bundestagswahl zu wiederholen. Damit verknüpft wäre die Hoffnung im Kestner-Lager, für Kestner, Hampel und andere doch noch eine Nominierung für die Bundestagswahl durchzusetzen.