Die Signalwirkung ist längst verpufft. Eigentlich wollten die Koalitionsfraktionen als Reaktion auf gewaltsame Vorfälle am Rande des „Christopher Street Day“ in Hannover noch vor der Sommerpause eine Resolution gegen Queerfeindlichkeit vom Landtag beschließen lassen. Doch wegen der versäumten vorherigen Absprache mit der größten Oppositionsfraktion, der CDU, dürfte dieser Plan scheitern. Mit den Stimmen von CDU und AfD wurde der Antrag kürzlich im Plenum in den Sozialausschuss verwiesen und nicht, wie von Rot-Grün geplant, sofort beschlossen.

Symbolische Geste: Die Regenbogenflagge wehte vor dem Landtag. | Foto: Kleinwächter

Die Botschaft, ist man sich aber einig, sei dennoch angekommen: Der Landtag verurteilt Übergriffe gegen queere Menschen – auch wenn man sich auf die Details des Antragstextes nicht hatte einigen können. Eine prinzipielle Ablehnung formulierten nämlich auch die Christdemokraten nicht, gleichwohl wollten sie nicht ohne Diskussion allen Punkten zustimmen. Doch auch im Sozialausschuss des niedersächsischen Landtags bahnt sich noch keine rasche Beschlussfassung über den Entschließungsantrag an.

In der vorvergangenen Woche hatte man den Tagesordnungspunkt kurzerhand wieder gestrichen, damit in der Sitzung in der vergangenen Woche nun eine Unterrichtung durch die Landesregierung von den Abgeordneten entgegengenommen werden konnte. Diese fand auch statt – und dabei ging es explizit um die Fortschritte bei der Ausarbeitung des Landesaktionsplans für die Belange von Lesben, Schwulen und Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI), den SPD und Grüne in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hatten.

QNN beteiligt die Community

Die politische Beratung des Resolutionstextes geht also geschmeidig über in die Beratungen zum Landesaktionsplan, mit dem der Landtag bislang offiziell noch gar nicht befasst ist. Das Sozialministerium hat unterdessen mit der Arbeit an diesem Plan begonnen. Wie eine Mitarbeiterin des Ministeriums in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses dargestellt hat, startete man am 15. Juni mit einem ersten Workshop unter Beteiligung von rund 30 Teilnehmern aus queeren Verbänden, wie etwa dem Queeren Netzwerk Niedersachsen (QNN).

Dieses QNN ist nun auch mit der Aufgabe betraut worden, die queere Community in den Prozess mit einzubinden. An vier Terminen zwischen dem 21. und dem 29. September sind Einzelpersonen oder Verbände eingeladen, ihre Anliegen vorzubringen, schriftliche Stellungnahmen sollen auch möglich sein. Gegliedert werden die Abendveranstaltungen anhand der Themenfelder, die im ersten Workshop ausgearbeitet worden sind. So geht es zunächst um Alter, Pflege und Gesundheit sowie Beratung und Selbsthilfe. Beim zweiten Termin stehen Bildung und Schule sowie Kinder, Jugend und Familie auf der Tagesordnung. Die dritte Runde befasst sich mit Gewalt, Polizei und Justiz sowie Akzeptanz, Sichtbarkeit und Gleichstellung. In der letzten Runde geht es um Forschung, Gedenken und Geschichte sowie Sport, Kultur und Freizeit.

Am 19. Oktober sollen die Ergebnisse dann in einer finalen Workshoprunde im Sozialministerium zusammengeführt werden, wobei die Möglichkeit bestehe, dass sich aus dem laufenden Verfahren Schwerpunkte verschieben oder neue Themen mit aufgenommen werden, wie die Mitarbeiterin des Ministeriums erläuterte.

Während Swantje Schendel (Grüne) und Marten Gäde (SPD) in der Sitzung des Sozialausschusses das Vorgehen nach dem „Bottom-up“-Verfahren, also von unten nach oben, begrüßten, äußerte Sophie Ramdor von der CDU-Fraktion vorsichtige Kritik an der aktuellen Vorgehensweise. Mit Blick insbesondere auf das im Resolutionstext hervorgehobene Thema der Sicherheit vor queerfeindlicher Gewalt regte Ramdor an, Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaften frühzeitig in die Erarbeitung des Landesaktionsplans mit einzubeziehen. Schließlich stehe im Entschließungsantrag von Rot-Grün, dass die Landesregierung prüfen solle, wie Veranstalter, Polizei und Staatsanwaltschaft „noch besser dabei unterstützt werden können, Anfeindungen, Angriffe und Übergriffe auf zukünftigen Veranstaltungen zu verhindern“. Seitens des Sozialministeriums verwies man darauf, dass der Landeskoordinator der LSBTI-Ansprechpersonen der Polizei Niedersachsen, Leon Dietrich, sowie Vertreter des Innen- und des Justizministeriums am ersten Workshop teilgenommen hätten.



Ein Konfliktpunkt beim Landesaktionsplan könnte zwischen Rot-Grün und der CDU werden, dass man sich in der Community zivilgesellschaftliche Anlaufstellen bei Fällen von queerfeindlicher Gewalt wünscht, die Union aber auf die hoheitliche Zuständigkeit der Polizei pochen könnte. Dennoch wollen SPD, Grüne und CDU konstruktiv gemeinsam am Resolutions-Antrag und dem Landesaktionsplan arbeiten. Schendel erklärte gegenüber dem Politikjournal Rundblick, der Aktionsplan solle auch parlamentarisch begleitet werden und spiele ebenso bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen eine Rolle. Weniger Kooperation ist von der AfD-Fraktion zu erwarten, die in einer neuerlichen Anfrage zur LSBTI-Politik von der Landesregierung Zahlen unter anderem zur Förderung queerer Projekte, zur Anzahl und dem Altersdurchschnitt queerer Menschen und der Menge der Pride-Paraden im Land erfragt.