Wo waren Sie, als die Berliner Mauer gefallen ist? Oder am 11. September 2001? Oder … Als Mitglied der Generation Z bin ich noch zu jung, um Erinnerungen an die einschneidendsten Erlebnisse der jüngeren Weltgeschichte zu haben – bis jetzt. Erst kam Corona und dann der Krieg in der Ukraine. Der Einmarsch Russlands am 24. Februar 2022 hat die Welt verändert. Millionen von Ukrainern mussten fliehen, ein Großteil ging nach Polen, viele kamen nach Deutschland.

Eine von ihnen ist die 37-jährige Olha. Über Nacht verlor sie Freunde, Haus und Heimat und floh mit ihrer Familie aus der Ukraine. „Mein Lebensgefährte, meine Mutter und ich hatten nur das mit, was wir am Körper trugen“, erinnert sich die junge Mutter. All der Platz in dem kleinen Auto wurde für extra Kleidung, Decken und Essen für ihre Töchter Sara und Arina genutzt, sowie für Katze Tribeka und Hündin Marti. In der ersten Zeit in Deutschland hieß es dann erst einmal nur funktionieren – für die Kinder. „Ich war wie ein Roboter“, sagt Olha selbst über ihre Anfangszeit. Zwischen dem Besuch meines Kollegen Tomas Lada Anfang April und meinem Ende Juni liegen deshalb Welten. „Wenn du in Deutschland ankommst, bist du erst einmal blind, taub und wirst schnell frustriert. Du weißt nicht, was du tun sollst, was die nächsten Schritte sind“, schilderte die Ukrainerin ihre ersten Eindrücke in der Retroperspektive. Mittlerweile wohnt Olha seit über acht Monaten in Hannover. Wie sie sich seitdem eingelebt hat und ob sie mit ihrer Familie wieder zurück in ihre Heimat möchte, erzählte sie mir kurz vor den Weihnachtsferien. Hier geht’s zum Artikel.

Olha, Khalid, Sara, Arina und Natalia mit Hündin „Marti“ und Katze „Tribeka“. | Foto: Henning Scheffen

Dass es jemals zu einem Krieg kommen würde, damit hatte Olha, wie so viele andere Ukrainer, nicht gerechnet. Auch in Deutschland war es ein Schock, dementsprechend durchwachsen liefen die ersten Tage der Krisenbewältigung ab, während man sich auf den zu erwartenden Flüchtlingsstrom vorzubereiten versuchte. Auch an den Deutschen Schulen ging man in den Anfangstagen unterschiedlich gut mit der Situation um. Fast eine Woche dauerte es, bis an dem Gymnasium meines Bruders ein Lehrer den Krieg im Unterricht ansprach. Mein Unverständnis darüber, dass sich selbst die Geschichts- und Politiklehrer dazu nicht früher in der Lage sahen, drückte ich in der täglichen Tageskolumne aus – und bekam viel Post. Einigen Eltern sprach ich aus der Seele, andere Schulen fühlten sich zu Unrecht angegriffen, wie zum Beispiel das Gymnasium Soltau. Mehr erfahren. Knapp eine Woche nach Kriegsbeginn gab dann auch das niedersächsische Kultusministerium Handlungsempfehlungen für die Lehrkräfte heraus.

Insbesondere Hannover wurde im Norden Deutschlands zum wichtigen Drehkreuz bei der Unterbringung und Verteilung der Geflüchteten. „Drehkreuz“, ein wenig greifbares Wort, das für mich erst mit einem Besuch in den Messehallen Anfang März so richtig mit Bedeutung gefüllt wurde. Innerhalb von zwei Tagen hatten rund 100 Feuerwehrkräfte und ehrenamtliche Helfer eine Zeltstadt mit Betten, Sichtschutzwänden und Duschkabinen aufgebaut. Von oben erinnerte der Aufbau ein bisschen an ein Legionärslager. „Es ist weit davon entfernt, ein richtiges Zuhause zu sein, aber es ist zumindest etwas, das man hat“, erzählte mir damals Feuerwehrmann und Koordinator Jörg Segreff.



Ende November wurde jetzt ein Teil des Messegeländes als Auffanglager reaktiviert, in den Wintermonaten ist mit einem weiteren Ansturm an Geflüchteten zu rechnen. Eine Welle an Hilfsbereitschaft ging seitdem durch unser Land, Spenden wurden gesammelt, Hilfstransporte organisiert und Wohnungen zur Verfügung gestellt. Eine der wertvollsten Spenden: Zeit. So reiste unter anderem der hannoversche Arzt Wjahat Waraich an die ukrainisch-polnische Grenze, um dort die ankommenden Ukrainer ehrenamtlich medizinisch zu versorgen. Mehr lesen.

Die Solidarität war überwältigend, machte auch vor den Ländergrenzen nicht Halt. Niedersachsens Landeshauptstadt spendete dutzende Feldbetten an ihre polnische Partnerstadt Poznan, die über 40.000 Ukrainer bei sich aufnahmen. Die Situation Polens ist ein Abbild der Lage Deutschlands – nur größer. Zusammen mit einer Delegation rund um Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay reiste ich für zwei Tage nach Poznan. Wir besuchten mehrere Hilfsangebote, die von Freiwilligen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) betrieben wurden, und sprachen unter anderem mit dem Stadtpräsidenten Jacek Jaśkowiak.

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Doch wie mit allem schlich sich auch beim Ukrainekrieg die Gewohnheit ein, die Blicke auf den Newsticker wurden seltener, die Menschen stumpften ab. Stattdessen beherrschte seit Herbst ein ganz anderes Thema die Nachrichten: die Energiekrise. Dürfen wir Sporthallen noch heizen? Wie bezahlen wir die steigenden Energiepreise? Mit erneuerbaren Energien könnte Deutschland nicht nur einen wertvollen Beitrag gegen den Klimawandel leisten, sondern so auch unabhängiger von anderen Ländern wie Russland werden. In meiner Podcast-Serie „Netzgeflüster“ spreche ich mit wechselnden Gästen über den Photovoltaik-Ausbau in Niedersachsen oder die derzeitigen Hürden bei der Geothermie.